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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
Autoren: Christoph Lode
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Na los, gib ihm schon das Fleisch«, forderte sie Nedjo auf.
    Umständlich stellte der Manusch den Korb ab und holte den Sack heraus, kam jedoch nicht dazu, ihn zu öffnen. Ruac drängte ihn zur Seite, biss den Sack auf und machte sich über das Fleisch her. Nach nicht einmal zwei Minuten war nichts mehr übrig. Er züngelte zufrieden und schmiegte sich an Vivana. »Nicht so fest. Du zerdrückst mich ja.« Sie strich ihm über die warmen Flanken. »Es tut mir leid, dass ich dich so lange allein gelassen habe. Das mache ich nie wieder, versprochen.«
    Während sie das sagte, dachte ein Teil von ihr: Ich habe einen Lindwurm als Haustier. Ich schätze, es gibt nicht viele Leute, die das von sich behaupten können. Lieber Himmel!
    »Was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte Nedjo.
    »Wir lassen ihn auf keinen Fall hier.«
    »Aber du kannst ihn doch nicht zum Versteck mitnehmen. «
    »Doch, kann ich.«
    »Und was ist mit Godfrey?«
    »Godfrey hat mir überhaupt nichts zu sagen.«
    Nedjo schwieg hilflos.
    »Nimm den Korb. Wir gehen«, sagte Vivana.

    »Du entwickelst eine ungute Neigung, andere herumzukommandieren, weißt du das?«, murrte der Manusch, während er den Tragebehälter an sich nahm. »Früher warst du irgendwie netter.«
    »Nette Menschen werden von Dämonen gefressen. Jetzt komm. Wir haben den anderen versprochen, nicht so lange fortzubleiben.«
    Sie hob die Laterne auf und ging voraus. Dass Ruac die enge Kammer endlich verlassen durfte, genoss er sichtlich. Sein Bewegungsdrang war so groß, dass er ständig voraushuschte und sie ihn zurückrufen musste. In den breiteren Tunneln unter der Altstadt versuchte er mehrmals, seine Flügel zu spreizen. Offenbar konnte er es nicht abwarten, die ersten Flugversuche zu starten.
    Etwa eine Stunde später erreichten sie die Katakomben und Kanäle unter dem Kessel. Als sie in den Gang einbogen, der zu Godfreys Versteck führte, sah Vivana zu ihrer Verwunderung in der Ferne Licht.
    »Wieso ist denn das Tor offen?«
    Nedjo blieb stehen. »Ich glaube, da stimmt was nicht. Riechst du das?«
    Sie schnupperte. Der Geruch war schwach, aber unverkennbar: Pulverdampf.
    Jähe Angst fuhr ihr in den Magen. Ruac neben ihr verfiel in Habachtstellung. Seine gesamte Körperhaltung signalisierte: Gefahr.
    »Irgendwas ist da passiert«, murmelte Nedjo. »Lass mich vorausgehen und nachsehen.«
    Doch ehe er den Tragekorb abstellen und sein Messer ziehen konnte, war Vivana bereits losgelaufen.
    »Warte. Nicht!«
    Sie hörte nicht auf ihn. Etwas Furchtbares war geschehen, sie konnte es spüren. Ruac schoss an ihr vorbei, den Gang entlang,
ein schlangenförmiger Schatten, der mit der Dunkelheit verschmolz. Am Tor des Verstecks verharrte er und züngelte.
    Das Portal war zerstört. Irgendeine unfassbare Gewalt hatte es zerfetzt und verbogene Metallteile über den Boden der Halle verstreut. Mit zusammengepressten Lippen stieg Vivana über die Trümmer und betrachtete das Bild der Verwüstung, das sich ihr bot.
    Dünner Rauch erfüllte die Luft, hing wie Nebel zwischen Pfeilern und Maschinentürmen. Einschusslöcher klafften in den Messingverschalungen. Ruac schnüffelte an einem schwarzen Stofffetzen, der auf dem Boden lag. Eine Kutte. Vivana stieß sie mit dem Fuß an. Asche rieselte aus dem Kragen.
    Daneben lag der Splitter eines gewölbten Spiegels. Sie hob ihn auf.
    Nein. Das kann nicht sein. Bitte nicht …
    Irgendwo summte eine Apparatur, doch davon abgesehen war es vollkommen still. Ihr war, als wäre sämtliche Kraft aus ihren Muskeln gewichen, und unsicher ging sie weiter, Schritt für Schritt.
    »Liam? Vater? Tante Livia?«
    Ihre Stimme hallte von den Wänden wider. Es kam keine Antwort.
    Sie hörte ein Knirschen und fuhr herum. Nedjo trat durch das Tor, bleich vor Entsetzen. Während sein Blick über den Boden und die Maschinen wanderte, murmelte er etwas in der Sprache der Manusch, ein Fluch, ein Gebet vielleicht.
    Vivanas Gedanken wirbelten durcheinander, rissen ab, verloren sich im Grauen, das ihren Verstand, das jede Faser ihres Körpers erfüllte. Plötzlich packte sie jäher Bewegungsdrang, und sie lief los, begann, hinter Maschinen nachzusehen, in den Nischen der verwinkelten Halle.
    »Sie sind fort«, sagte eine blecherne Stimme. »Corvas und die Spiegelmänner haben sie mitgenommen.«

    Sie wandte sich um. Godfrey stand vor ihr. Er klopfte Staub von seiner Melone und setzte sie auf.
    »Was ist passiert?«, fragte Vivana leise.
    »Der Junge hat uns verraten.
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