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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Autoren: Christoph Lode
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konnte.
    Die Pistole! Fahrig öffnete er die Tasche. Vor einigen Jahren hatte ihm sein Vater beigebracht, mit Schusswaffen umzugehen, allerdings war er nicht gerade ein Meisterschütze. Aber vielleicht gelang es ihm, den Incubus lange genug in Schach zu halten, damit sich Jackon in Sicherheit bringen konnte.
    Als Seth gerade seine Klinge zu Jackons Kehle führte, stand Liam auf und schoss.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Pistole solch einen enormen Rückstoß besaß. Sein Arm wurde nach oben gerissen, als der Schuss durch den Saal donnerte, und er taumelte gegen die Säule.
    Seth ließ den Dolch fallen und wurde von der Wucht des Treffers zu Boden geworfen. Für einen flüchtigen Moment hatte Liam sich gefragt, ob eine Pistolenkugel einem Dämon überhaupt etwas anhaben konnte, weshalb ihn die Wirkung mehr als überraschte. Schwerfällig richtete Seth sich auf. Aus einer Wunde an seinem Oberarm quoll dampfendes Blut.
    Er starrte Liam an, und aus seinen Augen sprach blanker Hass.
    Erst langsam, dann immer schneller, kam er näher. Flirrende
Hitze umgab ihn und ließ seine Augen glühen wie flüssiges Feuer.
    Liam schluckte. Er hatte noch einen Schuss. Er hob die Pistole, zielte und drückte ab.
     
    Als Vivana zu der umgefallenen Stellwand kam, konnte sie Liam nirgends entdecken. Sie vermutete, dass er sich ins Kampfgetümmel gestürzt hatte, um die Tasche zu holen, doch auch inmitten der Ghule und Spiegelmänner war er nicht zu sehen. Zum hundertsten Mal verfluchte Vivana sich dafür, dass sie die Tasche verloren hatte. Warum war sie nicht vorsichtiger gewesen? Wenn Liam sich in Gefahr befand, war das allein ihre Schuld.
    Ein Schuss erklang. Sie reckte den Kopf und sah Liam auf der anderen Seite der Halle stehen, in der Hand die Pistole ihres Vaters.
    Die Kämpfenden versperrten ihr die Sicht, und sie konnte nicht erkennen, warum er geschossen hatte und auf wen. Sie rannte ein Stück zurück, um besser sehen zu können. Jackon lag auf dem Boden und wimmerte vor Schmerz. Corvas und Amander eilten die Treppe hinunter, um ihm zu Hilfe zu kommen.
    Seth lief in Liams Richtung. Er war verletzt; heißes Blut tränkte seinen roten Anzug.
    Grauen erfasste Vivana, als sie begriff, was Liam getan hatte. Seth war ein Incubus, ein Geschöpf des Pandæmoniums. Ein Sterblicher, der ihm Schaden zufügte, musste mit schrecklichen Qualen rechnen, mit dem Tod und Schlimmerem. Doch statt zu rennen, wie er noch nie gerannt war, zielte Liam ein zweites Mal auf den Halbdämon.
    »Nicht!«, schrie Vivana und lief durch den Saal, aber sie kam zu spät. Liam schoss und traf Seth an der Schulter, was den Incubus taumeln und vor Schmerz und Zorn aufschreien ließ.
Siedend heiße Luft schlug Vivana entgegen, sodass sie kaum noch atmen konnte. »Liam, lauf«, krächzte sie, doch entweder hörte er sie nicht oder die Hitze schwächte ihn so sehr, dass er sich nicht vom Fleck bewegen konnte. Er hatte die Pistole fallen lassen und stützte sich benommen gegen eine Säule.
    Seth blieb stehen; sein verletzter Arm hing steif und nutzlos herab. »Du wagst es, mich herauszufordern?«, fauchte er, und sein Zorn sandte eine neue Hitzewoge durch den Saal, so heftig diesmal, dass Vivana zu Boden fiel. Auch Liam war gestürzt. Mit angstgeweiteten Augen versuchte er, sich aufzurichten, aber er schaffte es nicht.
    Furcht und Hitze lähmten Vivana, sodass sie hilflos mit ansehen musste, was sich wenige Schritte von ihr entfernt abspielte. Die Luft flimmerte und flirrte, eine wabernde Säule, die Liam und Seth umgab. Alles, was sich darin befand, Liam, der Incubus, tote Ghule und Spiegelmänner, wirkte plötzlich seltsam verschoben, wie ein Bild in einem zersplitterten Spiegel. Vivana war, als würde der Saal zeitweise verschwinden, überlagert von Ansichten aus einem anderen Gebäude, von uralten Säulen, Mauern und Treppen, die unbeständig flackerten.
    Weißes Licht blitzte auf. Schmerz bohrte sich in ihren Schädel, sie vergrub ihr Gesicht in den Armen. Sie fürchtete, bei lebendigem Leib zu verbrennen, doch dann verschwand die Hitze schlagartig. Schließlich wagte sie, die Augen zu öffnen.
    Die flirrende Säule war fort. Seth blickte sich suchend im Saal um. Als er feststellte, dass Amander und Corvas bei Jackon waren, ging er zu einem Mann, der Lucien ähnlich sah und in einer Ecke kauerte: Aziel, vermutete Vivana. Seth half ihm aufzustehen und legte den Arm um den verwundeten Alb, und die beiden Geschöpfe verschwanden so plötzlich, als hätten
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