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Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman
Autoren: Jan Smith
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Salute. Es war ein Anblick, der ihr jedesmal den Atem stocken ließ. Die Kirche mit der wei ßen Kuppel erhob sich aus den umliegenden Gebäuden wie von Zauberhand hingestellt; mit dem sonnenbeschienenen weißen und grauen Gestein, auf dem das Wasser reflektiert wurde, war es ein Anblick wie aus einem Märchen.
    Sie hielt sich westlich und ging auf die Kais der Stazione Marittima zu. Dies war keine Gegend, für die sich viele Menschen interessierten; die schmalen Straßen des Viertels sahen eher langweilig aus, einige Häuser auch heruntergekommen, aber Claire fand, daß dies das richtige Venedig war, ohne die Maske, die es gewöhnlich für die Touristen trug.
    Die Läden, die es hier gab, verkauften fast ausschließlich nützliche Dinge, Eisenwaren und Lebensmittel statt Souvenirs und Luxus. Und weil es hier auch keine kleinen Gondeln aus Milchglas oder Plastik zu kaufen gab, verirrten sich auch nur wenige Menschen in diese Gegend.
    Sie wanderte die schmalen Straßen entlang mit den verblichenen rosa und braun angestrichenen Häusern. In der oberen Etage waren Leinen von einem Balkon
zum anderen gespannt, und die roten, grünen und wei ßen Wäschestücke flatterten lustig im angenehmen Wind.
    Schließlich fand sich Claire auf einem kleinen campo, er war so klein, daß er nicht einmal einen Namen hatte. In der Mitte stand ein einzelner Baum, daneben ein Zeitungskiosk, der aber die Läden zur Siesta heruntergelassen hatte. Auf der einen Seite des Platzes verlief ein Kanal, und an den Kanal grenzte ein Palazzo.
    Sie hielt eine gespreizte Hand über die Augen, um gegen die Sonne das elegante Gebäude bewundern zu können. Für diese Gegend der Stadt war der Palazzo in einem hervorragenden Zustand. Fenster und Türen waren mit weißem Stuckwerk umkleidet, das sie an Eiscreme erinnerte, und die Mauern waren in hellen Pastellfarben angestrichen. Die Fensterläden waren zugezogen, und auf den Balkonen hielt sich um diese Tageszeit niemand auf.
    Claire setzte sich auf die zerbröckelnde Mauer des Kanals. Sie hätte der einzige Mensch in der ganzen Stadt sein können. Kein Laut war zu hören, und auch auf dem Wasser war kein Boot, keine Gondel zu sehen – nicht einmal Unrat trieb vorbei.
    Sie schloß die Augen. Die Sonne brannte heiß auf ihrer Haut, und sie spürte den sengenden Stein durch den Rock an Schenkeln und Hintern. Sie drückte die Beine zusammen und fühlte, wie die Haut klebte. Sie öffnete die Augen und wollte aufstehen und in den Schatten des Baumes treten, als sie mitten in der Bewegung innehielt. Jemand war ihr zuvorgekommen.
    Ein Mann lag schon dort, und das Laubwerk des Baumes zauberte kleine goldene Punkte auf Haut und Kleidung.
Er trug eine derbe blaue Hose. Das gestreifte Hemd hatte er aus der Hose gezogen und geöffnet, so daß Claire seinen behaarten Brustkorb sehen konnte. Er lag vollkommen entspannt da und hatte die Hände unter den Kopf gelegt.
    Claire nahm an, daß er ein Arbeiter war, der die Siesta zur Entspannung im Schatten nutzte. Sie wollte seinen Schlaf nicht stören und wollte auf Zehenspitzen an ihm vorbeitippeln, um zurück auf die Straße zu gelangen.
    Aber dann erstarrte sie. Der Mann hatte die Augen geöffnet und beobachtete sie. Instinktiv fuhr ihre Hand zum Hals. Sie kam sich plötzlich allein und verletzlich vor. Erst als sie sich selbst wegen ihrer Ängstlichkeit schalt, entkrampfte sie sich allmählich. Sie benahm sich kindisch, redete sie sich ein. Die Aura der Verlassenheit an diesem campo war eine Illusion. Überall standen Häuser, und schon bei ihrem ersten Rufen wären wahrscheinlich Dutzende Menschen auf die Straße gelaufen.
    Als ob er ihre anfängliche Unsicherheit und nun ihr wiedergewonnenes Selbstbewußtsein bemerkt hätte, lächelte der Mann. Sie konnte seine Zähne im Schatten blitzen sehen. Claire schaute sich den Mann genauer an und erwiderte sein Lächeln, ohne daß ihr das bewußt wurde.
    Er war stämmig gebaut, hatte eine breite Nase und kurzgelocktes schwarzes Haar. Wirklich nicht der Typ Mann, für den sie sich sonst erwärmen konnte. Und doch spürte sie, wie sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Er hob eine Hand, als wollte er sie heranwinken. Unter normalen Umständen hätte diese Arroganz sie abgestoßen und wütend gemacht, aber die Hitze der Sonne und ihre Abgeschiedenheit auf dem Platz schienen sie
vom wahren Leben da draußen entfernt zu haben. Auf eine seltsame Weise war sie neugierig.
    Sie schob ihr glänzendes schwarzes Haar aus den Augen. Sie
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