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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Orden der Tochter wurden an diesem Nachmittag außerhalb der Mauern von Porifors begraben. Ista und all ihre Begleiter nahmen an den Feierlichkeiten teil. Früher am Tag war dy Cabon noch besorgt zu Ista gekommen, da er zwar die Zeremonien leiten sollte – keiner war besser dafür geeignet, wie Ista fand –, aber keine heiligen Tiere zur Verfügung hatte, um anzuzeigen, welcher Gott sich der Seelen angenommen hatte. Die Tiere aus Porifors’ eigenem Tempel waren bereits überlastet und überdreht von den Anforderungen des Tages.
    »Hochwürden«, schalt sie ihn sanft. »Wie brauchen keine Tiere. Wir haben mich.«
    »Oh«, sagte er und wich zurück. »Da Ihr jetzt wieder eine Heilige seid – natürlich.«
    Und so kniete sie nun im hellen Sonnenlicht nacheinander neben jeder der eingehüllten Gestalten, legte die Hände auf deren Stirn und betete für das Zeichen. In größeren Tempeln wie dem von Cardegoss bot jeder Orden ein heiliges Tier auf, in Farbe und Geschlecht passend zu der Gottheit, die es repräsentierte, zusammen mit dem jeweiligen geweihten Tierpfleger. Diese Tiere wurden nacheinander an die Bahre geführt, und aus ihrem Verhalten schlossen die Geistlichen für die Trauernden, welcher Gott die Seele des verstorbenen Angehörigen aufgenommen hatte, wohin sie ihre Gebete richten mussten und auf welchem Altar sie ihre Opfer abzulegen hatten. Diese Zeremonie brachte den Hinterbliebenen Trost, dem Tempel Einnahmen und gelegentlich ein paar Überraschungen.
    Ista hatte sich oft gefragt, was die für diese Pflicht abgerichteten Tiere dabei empfanden. Erleichtert stellte sie fest, dass sie nicht von heiligen Visionen heimgesucht wurde. Sie verspürte einfach nur eine ruhige Gewissheit. Pejar und der Erste seiner Kameraden waren von der Frühlingstochter aufgenommen werden, der sie auch so treu gedient hatten. Das spürte sie sofort, und so ließ sie es die anderen wissen. Beim letzten Mann, stellte sie fest, war es anders.
    »Seltsam«, meinte sie zu Ferda und Foix. »Der Wintervater hat Laonin zu sich genommen. Ich frage mich, ob wegen seines Mutes bei Arhys’ Ritt, oder ob er irgendwo ein Kind zurückgelassen hat. Er war nicht verheiratet, oder?«
    »Äh … nein«, bestätigte Ferda.
    Ista erhob sich vom Grab. »Dann gebe ich Euch den Auftrag, das herauszufinden. Sorgt dafür, dass das Kind versorgt ist, falls es lebt. Ich werde auch ein Schreiben an den Großmeister dy Yarrin aufsetzen. Ich werde Geld stiften, um es während der Kindheit zu unterhalten, und wenn es Interesse daran hat, soll es Anspruch auf einen Platz in meinem Haushalt haben, sobald es alt genug ist.«
    »Jawohl, Majestät«, sagte Ferda. Verstohlen wischte er sich mit dem Handrücken über die Augen.
    Ista nickte zufrieden. Sie war sicher, als gewissenhafter Offizier würde er dieser Aufgabe gerecht werden.
    Der schattige Hain, der den Toten der Burg vorbehalten war, überblickte das idyllische Flüsschen. Immer noch wurden zahlreiche Gräber ausgehoben, und andere Trauernde – Kameraden und Verwandte der Getöteten – hatten bei den Riten ihrer Trauergesellschaft zugesehen. Ista hatte kaum eine Vorstellung, was für Gerüchte in Porifors über sie kursierten, doch innerhalb der nächsten Stunde bestürmten demütige Bittsteller dy Cabon und erflehten den Ablass der königlichen Heiligen für ihre eigenen Toten.
    Also ließ sie sich den Rest des Tages bis zum Einbruch der Dunkelheit von dy Cabon und Liss von Grabstelle zu Grabstelle geleiten und berichtete vom Verbleib der Seelen. Es waren viel zu viele, doch diese Aufgabe war nicht so gewaltig wie die Verwüstung, die Joen und ihre Zauberer über Chalion gebracht hätten, wären sie nicht durch Porifors’ Opfer aufgehalten worden. Ista wies niemanden zurück, der ihre Hilfe erbat, denn gewiss hätte der Bittsteller sie auch nicht zurückgewiesen. Anscheinend hatte jeder Trauernde eine Geschichte über seinen Toten zu erzählen, und bald erkannte Ista, dass von ihr nichts anderes erwartet wurde als zuzuhören. Gib acht! Majestät, seht diesen Mann. Lasst ihn in Eurem Geist Gestalt annehmen wie in unserem. Denn in der stofflichen Welt lebt er jetzt nur noch in unserer Erinnerung. Sie hörte zu, bis ihr die Ohren ebenso schmerzten wie ihr Herz.
    Als sie spät am Abend zu den Zelten ihres Bruders zurückkehrte, fiel sie selbst wie eine Tote aufs Feldbett. Und während die Nacht voranschritt, ging sie in Gedanken noch einmal die Namen, die Gesichter und die Ausschnitte aus dem Leben der
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