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Pain - Bitter sollst du buessen

Pain - Bitter sollst du buessen

Titel: Pain - Bitter sollst du buessen
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Berühmtheit; viele Menschen nahmen Kontakt zu ihr auf, damit sie ihnen half, ihre Probleme zu lösen. Als Rundfunkpsychologin beschäftigte sie sich in ihrer Sendung Nacht für Nacht mit den Schwierigkeiten und Ängsten anderer Leute. Und dies war nicht das erste Mal, dass jemand in ihre Privatsphäre eindrang; es würde auch nicht das letzte Mal sein. Sie erwog, die Polizei oder David oder eine Freundin anzurufen, aber um nichts in der Welt wollte sie den Eindruck einer hysterischen Kuh erwecken, die unter Verfolgungswahn litt. Am allerwenigsten vor sich selbst.
    Sie war Profi. Doktorin der Psychologie.
    Sie wollte keine öffentliche Missbilligung riskieren. Nicht noch einmal.
    Ihr Herz hämmerte; langsam stieß sie den Atem aus. Sie musste die Polizei verständigen, daran führte kein Weg vorbei. Aber jetzt noch nicht. Nicht an diesem Abend. Noch einmal kontrollierte sie sämtliche Schlösser und ermahnte sich, ruhig zu bleiben. Sie würde jetzt nach oben gehen, in einem Buch schmökern und am nächsten Morgen bei Tageslicht noch einmal Revue passieren lassen, was genau vorgefallen war. Es bestand überhaupt kein Grund zur Panik. Oder doch?
    Bereue?
    Für deine Sünden bezahlen?
    Welche Sünden?
    Der Kerl machte sie nervös – was wahrscheinlich genau seine Absicht war. »Komm, Großer«, rief sie dem Kater zu. »Wir gehen nach oben.« Es war ihre erste Nacht zu Hause; sie würde sie sich nicht von irgendeinem anonymen Widerling verderben lassen.

[home]
    2 . Kapitel
    W enn du mich fragst, sie spielt Theater«, flüsterte Melba Tiny zu und zwinkerte dann freundlich in Sams Richtung, als diese am Rezeptionspult der WSLJ -Büros, einen Block von der Decatur Street entfernt gelegen, vorüberhumpelte. Wespentaille, mit mokkafarbener, makelloser Haut und einem Tausendwattlächeln, das kalt und missbilligend werden konnte, wenn jemand versuchte, sich an ihr vorbeizumogeln, hütete Melba die Türen von WSJL , als wäre sie ein scharf abgerichteter Rottweiler. Hinter ihr befand sich eine Glasvitrine, von weichem Halogenlicht beleuchtet und angefüllt mit allem Möglichen: von Prominentenfotos und Preisen, die der Sender gewonnen hatte, bis zu einer Voodoo-Puppe und einem ausgestopften Alligator, Erinnerungsstücke, die jeden Besucher darauf hinwiesen, dass man sich eindeutig im Herzen von New Orleans befand.
    Sam hatte Melbas Bemerkung gehört und verdrehte die Augen. »Recht hast du. Ich trage das hier«, sie tippte mit der Gummispitze ihrer Krücke gegen ihr Gipsbein, »nur, um mich vor der Arbeit drücken zu können und Mitleid zu erregen. Und aus dem gleichen Grund schlucke ich alle paar Stunden Ibuprofen. Ich neige nun mal zum Masochismus.«
    »Psychogequatsche«, schimpfte Melba.
    »Was soll ich sonst sagen? Das ist mein Beruf.« Die Anspannung fiel von ihr ab. Es war ein schönes Gefühl, wieder im Sender zu sein, und sie freute sich auf die Arbeit. Nach einer unruhigen Nacht hatte sie erleichtert den neuen Tag begrüßt und sich ermahnt, nicht solch ein Angsthase zu sein. Sie hatte den Garten auf Fußspuren untersucht, keine gefunden und dann das verstümmelte Foto mit den Augen der Expertin betrachtet, mit Distanz. Sie hatte den merkwürdigen Anruf noch einmal abgehört und beschlossen, deswegen nicht auszuflippen.
    Melba stützte das Kinn in die Hand. Ein Dutzend Armbänder klimperte und blitzte im Licht. »Weißt du, ich habe so meine eigene Theorie über Seelenklempner – äh, Psychologen.«
    »Nur raus damit«, drängte Sam.
    »Ich glaube, jeder Psychologe hat sich aufgrund eines Charakterfehlers für diesen Beruf entschieden. Die meisten Seelenklempner, die ich kenne, sind verrückt. Und ihr Radiotypen seid die schlimmsten. Also wirklich, wer sitzt schon gern freiwillig die ganze Nacht im Studio und hört sich die Probleme anderer Menschen an, obwohl er doch weiß, dass er ihnen nicht helfen kann? Die rufen doch nur an, weil sie einsam sind.«
    »Oder geil«, steuerte Tiny zu der Unterhaltung bei, der gerade ein Päckchen auf Melbas Pult legte. Leiser Jazz rieselte aus verborgenen Lautsprechern.
    »Genau. Lass dir einen abgehen, indem du Dr. Sam anrufst, die private nächtliche Couch für New Orleans. Beichte, und du wirst geheilt.«
    Sams Kopf ruckte hoch. Ihr Lächeln gefror. »Was hast du gesagt?«
    »Lass dir einen abgehen …«
    »Nein, nein, von wegen Beichten?«
    »So ist es doch«, beharrte Melba, während das Telefon zu klingeln begann. »Du bist eine Art Priesterin, Predigerin oder was auch
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