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Pablo Picasso - die Lebensgeschichte

Pablo Picasso - die Lebensgeschichte

Titel: Pablo Picasso - die Lebensgeschichte
Autoren: Dagmar Feghelm
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zusammenzusuchen und in zwei zimmergroße Stahltresore seiner Bank zu bringen, ist »so kompliziert wie ein Umzug
des Louvre«. Wieder müssen Freunde an die Front oder ins Exil. Wieder hockt Pablo in den Cafés des auf Sparflamme lebenden Paris. Mit der deutschen Besatzung im Juni 1940 wird alles noch trister. Hätte er doch der Einladung in die USA folgen sollen? Aber er hat zwei Familien zu versorgen! Und was soll er dort. Einen alten Baum verpflanzt man nicht. So erträgt er Ausgangssperre, Lebensmittelrationierung, Kälte im Atelier und Hakenkreuze überall mit knurrigem Gleichmut. Und mit der Angst im Nacken, ausgewiesen zu werden. Sein Antrag auf französische Staatsbürgerschaft wird abgelehnt. Auch die Nazis setzen ihm zu. Seine Bilder gelten als »entartet«, er darf nicht ausstellen. Ab und zu kommen arrogante Nazibeamte, fragen ihn über seinen jüdischen Vermieter aus und trampeln, oh, das tut uns aber leid!, schon mal über ein Bild. Dann wieder schnüffeln sie herum unter dem scheinheiligen Vorwand ihrer Erkundigung, ob er denn auch genug Kohlen zum Heizen habe. Ha! Dann lieber Frostbeulen. »Ein Spanier friert nie!«, sagt er ihnen eiskalt ins Gesicht. Und herrlich, dass ihm prompt die passende Antwort einfiel, als dieser Nazioffizier beim Anblick des Fotos von »Guernica« fragt: »Haben Sie das gemacht?« – »Nein, Sie!« Herrlich. Weh dem, der nicht glaubt, dass er das wirklich gesagt hat.
    Arbeitet er in der Zeit? Viel sogar. Dumm nur, dass ihn jetzt, wo kein Material zu haben ist, die Bildhauerei wieder packt. Da ist Improvisation gefragt. Ein alter Fahrradsattel, rostige Lenkstange drüber, fertig ist der Stierschädel! Die Kunst liegt auf der Straße, man muss nur den Blick dafür haben. Ich suche nicht, ich finde! Stierschädel finden sich auch auf den kriegstypisch kargen Stillleben.
Oft sehen auch die Köpfe der Frauen, die er nun ständig malt, wie knochige Schädel aus. Es sind nicht »seine« Frauen – eher Ausdrucksfiguren ohne persönliche Merkmale. Als Versuchskaninchen in Sachen Deformation sitzen sie auf allen Arten von Stühlen. Was für Sigmund Freud das Sofa, ist für Picasso der Sessel – Ort der Erkundung einer Seelenlandschaft. Die Bilder wirken kalt. »Wenn Frauen aussähen wie die von Picasso gemalten, wäre die Erde bald entvölkert!«, höhnt die Kritik. Versteht man seine Kunst nicht mehr oder wird Pablo wirklich zum Frauenhasser, wie Sabartés, sein Mann für alle Fälle? Treibt er deshalb Dora zum Wahnsinn? Die sitzt nur noch am Telefon und wartet auf seinen Anruf.
    Auch Marie-Thérèse wartet. Auf Donnerstag und Sonntag, wenn Pablo kommt. Ein Zimmer der Wohnung ist stets verschlossen. »Da arbeitet Papa, man darf ihn nicht stören«, sagt sie der kleinen Mitgenossin ihrer Traumwelt. Wenn sie sich bei Pablo ihre Kohlenration abholt, muss sie die alleine heimschleppen. Ungerührt verwehrt er ihr ein Stück Seife, um das sie ihn bittet, als er ihr einen ganzen Schrank voll davon zeigt. Die Seife und diese Goldbarren, das gehört dir, falls es zum Äußersten kommt, sagt er und klappt die Tür wieder zu. Mit feurigen Briefen hält er sie bei Laune – Liebesbriefe für Marie-Thérèse, tausend kleine Geschenke für Dora. Alle selbstgemacht, mehr herzig als herzlich. Zweifellos sind Frauen für ihn das Salz der Erde. Sie haben Macht über ihn – aber das dürfen sie nicht wissen. Am besten hält man sie mit Verachtung und überlegenem Getue im Zaum.

    Das gilt auch für Freunde. So verlässt er kaum noch das Atelier. Soll die Welt zu ihm kommen! Er besucht nicht, er empfängt. Ganz so gelassen ist er aber auch wieder nicht. Würde er sonst jeden Morgen die Liste seiner Freunde studieren, die Sabartés dann auf den neusten Stand bringt? Eifersüchtig zählt er Besuche. Was, X war diese Woche zweimal bei Braque und nur einmal bei ihm? Pablo ist drauf und dran, zum verschrobenen Kauz zu werden. Aussehen tut er schon so. Diese alten Hosen! Die nur noch von Sicherheitsnadeln zusammengehaltene Jacke, mit der an einem Schnürsenkel baumelnden Uhr im Knopfloch! Die wie angewachsene Baskenmütze! Gut, Pablo hat kaum noch Haare und hasst Kälte am Kopf. Ein Spanier friert eben doch. Vor allem im Exil. Wann hört dieser Krieg endlich auf?

Der Sonnenkönig
    Wer bringt schon einem alten Herrn Blumen!
    U nd dann noch Cinerarien. Aschenblumen. Ja, es ist zwar Krieg, aber – Cinerarien! Greisenkraut! Für Picasso! Das sind die einzigen, die zu meinem Kleid passen. Ach so. Na dann.
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