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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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Hartl, der genauso albern gewesen war wie seine Christiane. Nach dem Feuerwerk war er wie ein Gespenst auf dem Mohnauer Bootssteg aufgetaucht, hatte sich bejubeln lassen wie ein Popstar. Susns Meerjungfraukleid passte ihm nicht schlecht, mei, schlank war er schon immer gewesen, nur zu kurz war es ihm. Und die Schwimmflossen sahen nicht unbedingt gut dazu aus. Wie alles entzückt aufschrie, als er mit einem eleganten Kopfsprung und rauschendem Rock die Wellen teilte, um mit einem nicht minder eleganten Flossenschlag unter Wasser zu verschwinden, eine Meerjungfrau in ihrem Element. Zum Glück hatte Gina, die das Hochzeitsdirndl trug, nicht ebenfalls beschlossen, schwimmen zu gehen. Auch Susn war an Land geblieben. Leider, musste man fast sagen. Aber sie sah in Özcans greislicher Kreation so glücklich und hübsch aus, dass Therese Özcan Breithuber seine Geschmacklosigkeit auf der Stelle verzieh. Außerdem hatte Özcan, das tapfere Änderungsschneiderlein, ihr eigenes Skandal-Hochzeitskleid vortrefflich hergerichtet, das musste man ihm lassen. Er hatte Stoff einfügen müssen, um Jahren, Erfahrung und Apfeldatschi ihren Tribut zu zollen, und alle hatten Therese darin bewundert. Delphine de Brulée war im katholischen Kleid von Frau Flantsch erschienen. Das, ebenfalls dank Özcan, eine wunderbare Metamorphose durchgemacht hatte. Eng, neu berüscht und perlenbestickt lag es an Delphines zartem Körper an. Begehrliche Männerblicke folgten ihr, als Matt sie zum Tisch führte und galant ihren Stuhl zurechtrückte. Mit vor Eifer zitternden Hamsterbäckchen. Mei! Was ihr erspart geblieben war! Wie dankbar sie dem Schicksal sein konnte, dass es ihr Lucien Ledoux beschert hatte. Oder, genauer gesagt, konnte sie Christiane Breitner dankbar sein.
    Nicht der Allmächtige hatte mit den Zufällen jongliert, oder wenigstens nicht er allein, Christiane Breitner hatte kräftig mitgemischt. Und das gar nicht so schlecht, alle Achtung.
    Angefangen hatte alles, wie Therese jetzt wusste, an diesem denkwürdigen Abend vor einem halben Jahr, als sie ihren Bruder und seine Schnoin zu sich nach Hause eingeladen und kräuterlikörbedingt etwas zu rührselig die alten Zeiten und Matt beschworen hatte. So inbrünstig, dass ihr Bruder sie genervt bat, damit aufzuhören. Dass Christiane Breitners schweigsam duldender Leonhard aus seiner Tauchlehrer-Reserve gelockt wurde, war vielleicht der erste Grund für Christianes Interesse an der ganzen Geschichte gewesen. Sie hatte sich von ihrem Leonhard noch einmal alles erzählen lassen: Thereses kämpferisches Nein-Wort, ihre Tapferkeit, seine sofortige Abneigung gegen diesen Wackersdorf-Hallodri. Am nächsten Tag hatte sie nach Matthias Glatthaler gegoogelt. Nach einigen Anzeigen für Toiletten mit Duschstrahl und automatischem Föhn Marke Wüstenwind war sie auf Matts Kunstsammlung gestoßen. Und darüber auf einen Artikel über eine Vernissage in Paris, der die berühmte Erotik-Autorin an Matthieu Glatthalers Seite erwähnte: seine Lebenspartnerin Delphine de Brulée. Worauf Christiane Breitner, immer interessiert an der Aufmischung des dörflichen Lebens, eine Kiste erotischer Bücher ersteigert und in die Gemeindebibliothek geschmuggelt hatte.
    Damit war die Lunte gelegt, die Bombe hatte der Allmächtige selbst gezündet. Indem er Timo Flantsch einen, wie man jetzt wusste, äußerst katholisch motivierten Heiratsantrag machen ließ. Die patente Assistentin des Allmächtigen hatte nur noch ein wenig nachgeholfen, was die Idee anging, Matt zur Hochzeit einzuladen. Eine Idee, die man in Therese Englers Seele nicht erst hatte säen müssen, um ihre Früchte zu ernten.
    »Achtung, Mädels, es geht los!«, kommandierte Christiane Breitner jetzt. »Habt ihr eure Stifte?«
    Warum hatte sie vorhin nur die Geschichte des längst vergangenen Bleistifttests mit Toni erzählt! Christiane, Resi und Franzi waren nicht mehr zu bremsen gewesen und bestanden auf einen sofortigen Selbstversuch. Und das am Abend vor der Wahl. Genau genommen nur noch Stunden vor der Wahl. Um die es seit dem abgebrochenen Rededuell nicht allzu schlecht aussah, wie Christiane Breitner immer wieder versicherte.
    »Los, Mädels, wir nehmen alle die linke!« Schulmädchenhaftes Gekicher folgte Christianes neuem Kommando, dann der gemeinsame, schallende Ruf: »Oans, zwoa, drei … Feuer!« In den Therese Engler einstimmte. Im Gleichtakt mit den anderen hob sie ihre linke Brust an und klemmte den Faber Castell Jumbo Grip darunter. Mei. Was
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