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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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Google Maps aus der Tasche. Fünf Minuten zu Fuß ins Glockenbachviertel, zur Bar, in die Matthias sie bestellt hatte. Und dann? Würde sie Matthias überhaupt erkennen?
    Sie erinnerte sich eher verschwommen an dunkle Locken, hungrige Augen, überhaupt ein hungriges Gesicht, hungrig nach ihren Küssen. Deutlicher erinnerte sie sich an das Kratzen seiner Barthaare an ihrer Wange, an seinen schmalen, drahtigen Rücken, den zarten Flaum zwischen Schulterblättern und Nacken, ertastet unter vielen Schichten: Parka, Strickpulli, Unterhemd. Wie, bittschön, sollte man einen Mann an seinem Haarflaum im Nacken oder an seinem Rücken erkennen? Und würden ihr nicht die Erinnerungen an die weniger flaumweichen Haare auf den Rücken anderer Männer, die es in Therese Englers Leben ja auch gegeben hatte, dazwischenkommen? Und wie sollte dieser Erkennungsversuch aussehen, könnte sie alle Männer in der Bar auffordern, sich umzudrehen und das Hemd hochzuschieben? Mei! Auf welche Ideen sie kam, hier in der Großstadt!
    Freilich konnte sie sich an mehr erinnern, sie hatte Matthias nach ihrer leidenschaftlichen Begegnung im Taxöldener Forst bei Wackersdorf noch einmal gesehen, ein wenig erquickendes einziges Mal, als er sie und Susn in Neuenthal besucht hatte. Seine Locken waren kurz geschoren gewesen, und sie hatten nicht recht gewusst, was sie reden sollten. Heute würden sie wenigstens ein Thema haben.
    Sie überquerte im Takt ihres erwartungsfreudigen Herzklopfens einen Platz, auf dem ein Fest stattfand, ein Flohmarkt oder Ähnliches, bog ein in die nächste Straße. Hier musste es sein. Ein Brauereischild. Darunter pinkfarbene, einladend flackernde Neonbuchstaben.
    Fetisch-Bar entzifferte sie. Zweimal überprüfte sie die Hausnummer. Sie stimmte. Mei! Was wollte Matthias ausgerechnet hier? Und was war noch einmal ein Fetisch? Undeutlich flimmerten Erinnerungen an Fernsehbeiträge über ihre innere Leinwand, Voodoozauberer, Dominas in Leder, ein Mann in Nylonstrumpfhosen, ein Paar, auf Sesseln, in einem Wohnzimmer mit Schrankwand. Beide trugen Gummianzüge und erklärten, gedämpft durch die Gummimaske, wie gut sich Latex auf der Haut anfühlte. Hätte sie statt eines Dirndls einen Taucheranzug anziehen sollen? Samt Schwimmflossen und Pressluftflasche? Es wäre nicht besonders schwierig gewesen, sie hätte einfach aus der Tauchschule … was dachte sie da eigentlich für einen Schmarrn?
    Nervös versuchte sie, ins Innere zu spähen, sah aber nur ihr eigenes Spiegelbild, verwischt, in einem Meer unzähliger Kerzenflammen. Was wusste sie denn von Matthias’ Vorlieben? Nichts! Sie wusste ja auch sonst nicht viel von ihm. Pünktlich war er, zumindest, was den Geldbetrag betraf, der jeden Monat auf ihrem Konto eingetroffen war. Sogar über Susns Volljährigkeit hinaus. Telefoniert hatten sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Diese Verabredung hatten sie per Mail getroffen. Sie atmete tief ein, in ihre Mitte, und langsam wieder aus. Vielleicht war gar nichts dabei. In der Großstadt war es ganz selbstverständlich, in eine solche Bar zu gehen. Wahrscheinlich war es gerade angesagt. In. Cool. Wie ihre Tochter oder Kathi es ausdrücken würden. Natürlich. Wieso war sie nicht längst darauf gekommen? Therese lächelte ihrem Spiegelbild Mut zu und öffnete die Tür.

    Na also. Alles ganz normal. Gemütliche Sitzecken. Sanftes, dem Teint schmeichelndes Kerzenlicht. Auf einer Bühne schrammelte eine Kapelle einen Ländler. Tuba, Gitarre, Schlagzeug, Akkordeon, fast die gleiche Besetzung wie die Neuenthaler Feuerwehrkapelle. Abgesehen davon, dass diese Musiker nur halb so schräg spielten. Und außerdem blonde Perücken, Dirndl und Stöckelschuhe trugen. Mei, warum nicht? Sie war tolerant! Ihre Dirndl standen ihnen gar nicht schlecht. Nur vorneherum fehlte es. Wie bei Christiane Breitner, der Schnoin! Einen kleinen Schuhtipp hätte sie ihnen auch gern gegeben: Bei Größe 46 waren Stöckelschuhe nicht unbedingt vorteilhaft, sie erinnerten fatal an Kähne. Oder sogar an Schwimmflossen.
    Therese unterdrückte das unangebrachte Kichern, das in ihr aufstieg, betrachtete schnell die Bilder an den Wänden, Frauenbeine in Schnürstiefeln, nietengespickte Futterale, ineinander verschlungene, tätowierte Körperteile, kunstvoll verwischt. Gar nicht schlecht, wenn man bereit war, den eigenen Horizont zu erweitern. An den Bilderrahmen klebten Preisschildchen. Gab es Leute, die solche Kunst kauften und in ihr Wohnzimmer hängten? Mei, warum denn
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