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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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Ringerl an den Wurstenden. Die Monsieur Hamster auch schon wieder mit seinem amüsiert-französischen Blick betrachtete.
    »Hast du die bestellt? Gepiercte Weißwürste?«
    Und wenn, was war dabei? Sie hatte nichts gegen Piercings, warum auch, an Kathis Schungenpierschings war sie längst gewohnt. Kathis Mutter hätte ein Zungenpiercing mit Sprachhemmung übrigens auch nicht schlecht angestanden. Warum dachte sie jetzt, da sie sich über dieses überlegen-französische Getue ärgerte, bloß an Toni? Sie hob ihr Kinn.
    »Warum ned? Musst halt um das Ringerl herumzuzeln.«
    Monsieur Hamster lachte. »Du redest wie früher Therese, ganz wie früher!«
    Tatsächlich? Hatte sie damals auch von Weißwürsten gesprochen, dort, in der Baumhütte? Und wenn ja, in welchem Zusammenhang? Schnell trank sie einen großen Schluck Bier. Er griff nach den Handschellen, die neben der Kerze lagen.
    »Erzähl mir von Susn! Sie will wirklich, dass ich zu ihrer Hochzeit komme?«
    An den Handschellen war ein kleiner Schlüssel befestigt, und er öffnete das Schloss, legte spielerisch die Drahtfessel um sein dickliches Handgelenk.
    »Magst du die Wiarschtl? I hob koan Hunger.«
    Sie schob den Teller zu ihm hinüber, und er warf den Würsten einen hungrigen Blick zu. Einen Blick, an dem sie ihn endlich erkannte: Matthias Glatthaler, Vater ihrer Tochter Susn, den sie noch nie in ihrem Leben nackt gesehen hatte. Und sie war nicht sicher, ob sie ihn jetzt noch nackt sehen wollte.

    Beim zweiten Bier hatte sie sich schon halbwegs an seine Hamsterbäckchen gewöhnt. Sie solle ihn Matt nennen, sagte er, in Paris heiße er Matthieu, daran sei er gewöhnt. Sie hatten bei der Zofe neuen Wein bestellt und noch einmal Weißwürste, für sie beide zusammen. Während sie aßen – sie zuzelte, er tranchierte – redeten sie, über Paris, Matts Interesse an moderner Kunst, Fredl Weidingers Glanzdruckplakate und seine Unverschämtheiten, über den Wahlkampf – sechs Wochen blieben ihr noch, um Neuenthals Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen, nur sechs Wochen bis zur Wahl! –, sie kamen auf ihre Geschäfte, seine Arbeit in der französischen Zweigstelle der Familienfirma, wobei er ihr nicht erklärte, worin seine Tätigkeit bestand, aber es interessierte sie auch nicht allzu sehr, und schließlich auf Susns Hochzeit.
    »Wie heiratet deine … unsere Tochter eigentlich? In einem Schloss vielleicht? Oder auf einer Ballonfahrt über dem See?«
    »Mei, darauf bin i ja noch gar ned …« Einen Moment sah sie den Ballon vor sich, werbewirksam, über dem See. Bedruckt mit Herzchen, der Aufschrift: just married. Und einem klitzekleinen Logo vielleicht. Einem Logo ihres Ladens. Oder vielleicht einem winzigen Hinweis auf die Wahl?
    »Sie heiratet in der Kirch, bei uns im Dorf. Frühlingsblumen auf der Treppe, ganz romantisch, weißt, des liegt ja im Trend, zurück zur Natur!« Vor Begeisterung ins Bayerische verfallend, erzählte sie Matt von dem entzückenden Dirndl mit Organzaschleier, ob Matthias wisse, dass Hochzeiten in Tracht im Moment absolut im Trend seien, sie überlege sich, ob man nicht noch Bierbänke aufstellen und die Feuerwehrkapelle engagieren solle, aber das würde der Pfarrer, dieser engstirnige Hund, wohl verbieten.
    »Und der Bräutigam?« Matts Hand, immer noch mit Handschelle, lag dicht an ihrer. Sie fühlte die Härchen an seiner Handkante, gestutzt übrigens, er hatte gepflegte Hände, sie hatte es vorhin schon bemerkt.
    »Mei. Ja. Der ist … auch dabei.«
    Sie zog ihre Hand ein Stück weg.
    »Ein netter Junge?«
    »Mei … nett ist er scho. Ja.«
    »Magst du ihn etwa nicht?«
    »Doch, doch. Freili. Es ist nur sein Nachname. Flantsch heißt er. Timo Flantsch. I hob sie doch ned Susn gnannt, nur damits so an Rohrkrepierernamen wie Flantsch hintendropackt, wie schaugt denn des aus. Naja, a jeder muss halt seine eigenen Fehler machen, weißt, man darf den jungen Leuten ja ned reinreden.«
    Ihr hatte auch niemand reinreden dürfen. Obwohl alle es versucht hatten, damals, als sie – aufgewühlt durch ihre Teilnahme am Widerstand gegen die Atomkraft und selig nach ihrem Abenteuer mit Matthias – aus Wackersdorf zurückgekommen war und ihrem damaligen Verlobten, Veit Strobl, den Laufpass gegeben hatte. Vielleicht war der Zeitpunkt nicht wirklich gut gewählt gewesen, aber sie hatte eben bis zum Schluss gehadert. Bis sie die glühende Gewissheit überkommen hatte: Nein! Mit diesem Mann wollte sie nicht ihr Leben verbringen! Den fassungslosen
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