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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
Autoren: Tad Williams
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ihn. »Er ist noch am Leben. Wir brauchen mehr Material, um ihn rasch zu verbinden.« Er hockte sich hin, nahm dann die Stoffstreifen von Florimel und Quan Li, die eigentlich als Fesseln gedacht gewesen waren, und wickelte sie fest um die häßlichen Wunden. Während der Affe und die beiden Bäuerinnensims am Boden kauerten, stand T4b deplaziert daneben wie ein skurriles Kriegsspielzeug, das versehentlich in ein klassisches Gemälde geraten ist. Nichts an seinem Kostüm eignete sich als Notverband, soviel war sicher.
    Renie fühlte ein Zupfen am Arm und ließ sich von Martine beiseite ziehen. Statt um Zuspruch zu bitten, führte Martine ihren Mund dicht an Renies Ohr. Ihr Flüstern war so leise, daß Renie zunächst meinte, nicht richtig gehört zu haben, so schockierend waren die Worte der blinden Frau.
    »Eine von ihnen war es«, sagte Martine. »Eine von ihnen muß versucht haben, ihn umzubringen. In der Höhle, wo wir vorher waren, hätte ihn auch etwas anderes angreifen können, aber ich fühlte eine Gewalttat geschehen, als wir gerade in das Gateway eintraten, und zu dem Zeitpunkt waren wir alle dicht auf einem Haufen. Ich kann allerdings nicht sagen, wer die Schuldige ist, wer von ihnen nur vorgibt, Erschütterung und Trauer zu empfinden. Etwas in dieser neuen Simulation, irgendein entstellender Einfluß, trübt meine Sinne.«
    Martine redete, als könnte sie Gedanken lesen, und Renie hatte keine Ahnung, was es damit auf sich hatte. Im Grund hatte sie kaum eine Ahnung, was es mit alledem auf sich hatte. »Ich komm nicht mehr mit.« Sie holte tief Luft und mußte sich zwingen, leise zu sprechen. »William ist ein Spion, aber eine von ihnen wollte ihn umbringen?«
    »Einer der Leute, die mit mir gekommen sind«, entgegnete Martine. »Ich glaube, so ist es – aus welchem Grund auch immer, es muß dort geschehen sein, unmittelbar bevor wir durch das Gateway kamen. Ich fürchte mich, Renie.«
    »Was können wir tun?« Sie warf einen verstohlenen Blick hinüber. Alle außer Emily schienen sich aktiv um Williams Leben zu bemühen, mochte er getan haben, was er wollte. Und wie konnten sie sicher sein, daß Martine recht hatte – daß man sich auf die übrigen Sinne der blinden Frau verlassen konnte? Vor Tagen erst war sie dermaßen von dem Netzwerk überwältigt gewesen, daß sie beinahe katatonisch gewirkt hatte.
    Urplötzlich wandte sich Martine den anderen zu und sagte mit lauter, bebender Stimme: »Ich weiß, daß eine von euch ihn so zugerichtet hat.«
    Alles hielt inne. Die Hände mit den Binden, die Florimel und Quan Li sich von ihren immer weniger werdenden Kleidungsstücken abgerissen hatten, blieben über Sweet William hängen, so daß die beiden wie Figuren in einem gestellten Mumifizierungstableau wirkten. T4b machte ebenfalls einen überraschten Eindruck, aber die insektenartige Maske, die er trug, verbarg seine Miene.
    Emily war vor der blutigen Szene zurückgewichen, die Hände schützend vor den Bauch gehalten, und dennoch erstarrte das Mädchen aus der Neuen Smaragdstadt bei Martines Worten wie ein Kaninchen. »Ich hab nichts getan!« heulte sie und krümmte sich dabei zusammen, als wollte sie sich zwischen die Anklägerin und ihr ungeborenes Kind schieben.
    »Du doch nicht, Emily«, beruhigte Renie sie. »Aber, Martine, wir können nicht einfach …«
    »Doch.« Martine nickte nachdrücklich. »Wenn wir etwas nicht können, dann mit Zweifeln leben. Wenn ich mich irre, irre ich mich eben, aber ich glaube es nicht. Und ich werde es gleich genau wissen.« Die kleine Frau marschierte auf die bestürzte Gruppe zu wie eine Schäferhündin, die ein Rudel wilder Wolfsvettern allein mit der Kraft ihrer Persönlichkeit einzuschüchtern versucht. »Ihr wißt, daß ich Dinge auf eine Weise durchschauen kann, wie ihr anderen nicht – jedenfalls wissen die das, die mit mir unterwegs waren.«
    »Was, weil jemand William angegriffen hat und du meinst, es sei eine von uns gewesen, willst du dich als Richterin aufspielen?« Florimel schüttelte entrüstet den Kopf, aber es lag auch eine Spur von Furcht in ihren Augen. »Das ist doch Wahnsinn!«
    »Da wird es nicht viel zu richten geben«, gab Martine mit einer Bissigkeit zurück, die Renie noch nie bei ihr erlebt hatte. »Du oder Quan Li, eine von euch muß es gewesen sein. Ihr seid die einzigen, die Blut an sich haben, und wer das getan hat, muß dabei etwas abbekommen haben.«
    Florimel verzog nur verächtlich das Gesicht, und Quan Li meldete einen schwachen
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