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Ostern im Möwenweg

Ostern im Möwenweg

Titel: Ostern im Möwenweg
Autoren: Kirsten Boie
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durch das sehen alle Sachen ganz gruselig grün aus, aber man kann damit, auch wenn es stockfinsterste Nacht ist, was sehen.

    Ich hab also geguckt, ob Petja vielleicht irgendwo ein Fernglas versteckt hat oder irgendein anderes geheimes Gerät, mit dem man versteckte Ostereier schneller aufspüren kann. Und da war ich aber richtig verblüfft! Ich hab nämlich gesehen, dass er gar nicht gesucht hat wie die anderen Kinder alle. Er hat überhaupt nicht auf den Boden geguckt! Stattdessen ist er immer so ganz vorsichtig hinter einem Mann hergeschlichen, der hatte eine grüne Jacke an, und da hab ich schon was geahnt. »Logisch ist das ein Trick, Tieneke!«, hab ich ganz aufgeregt gesagt. »Aber bestimmt nicht mit Fernglas!«
    Petja ist immer noch hinter dem Mann hergeschlichen.
    Schleichen musste er ja, damit der Mann ihn nicht bemerkt. Und dann hab ich auch gesehen, warum er das gemacht hat! Der Mann hatte nämlich die ganze Zeit beide Hände in den Taschen, aber zwischendurch hat er sich immer so ganz verstohlen in alle Richtungen umgeguckt (
verstohlen
ist auch so ein schönes Wort, das auf meine Liste kommt) und danach hat er die Hände blitzschnell aus den Taschen gezogen und etwas auf den Boden fallen lassen. Ich konnte sogar von ziemlich weit weg sehen, dass es danach im Gras geglitzert und geglänzt hat.
    Da hab ich gewusst, was der Mann gemacht hat! Er war der heimliche Ostereier-Verteiler vom Bürgerverein! Und überall, wo die Kinder die Ostereier schon aufgesammelt hatten, ist er rumgegangen und hat heimlich noch mal neue verstreut für die nächsten Kinder. Das war doch nett.
    Und Petja ist die ganze Zeit direkt hinter ihm hergeschlichen (auch verstohlen), und immer, wenn der Mann eine Hand aus der Tasche gezogen hat, hat Petja sich schon gebückt. Da hat es nie lange im Gras geglänzt, weil Petja die Ostereier immer sofort eingesammelt hat, und jetzt war natürlich klar, warum er so viele hatte.
    »Das ist ja wohl Beschummel!«, hab ich gerufen und bin zu Petja hingerannt. »Los, Petja, aufhören! Das ist gemein! Dann kriegen die anderen Kinder ja gar nichts!«
    Der Mann hat sich umgedreht und Petja ganz streng angeguckt.
    »Hab ich dich nicht vorhin schon mal gesehen?«, hat er gefragt, und ich hab gedacht, dass Petja nun aber bestimmt richtig Ärger kriegt. Vielleicht fragt der Mann ihn sogar, wie alt er ist, und dann fliegt der ganze Schwindel auf.
    »Nee, das muss ein Irrtum sein!«, hat Petja gesagt. »Wir beide begegnen uns heute zum ersten Mal, mein Herr.«
    Da hat der Mann böse geguckt, und Petja hat sich nicht mehr getraut, noch weiter hinter ihm herzugehen. Dafür hat er mir einen Vogel gezeigt. »Bist du blöde?«, hat er gezischt. »Das war doch ein Traumjob!«
    »Das ist ja total fies!«, hat Tieneke geschrien. Die hat sich jetzt auch zu uns gestellt, wo der Mann weg war. »Den kleinen Kindern die Ostereier zu klauen!«
    »Wer, ich?«, hat Petja gefragt und ganz erstaunt getan. »Da musst du was missverstanden haben!«
    Jetzt haben sogar die anderen Leute angefangen, sich nach uns umzudrehen, und Tieneke war lieber still. Es ist ja peinlich, wenn alle zu einem hinstarren.
    Aber inzwischen waren auch Fritzi und Jul bei uns angekommen und Vincent und Laurin auch. Nur Maus ist mit seinem Kindergartenrucksack noch immer irgendwo zwischen den Büschen rumgeflitzt und hat vor sich auf den Boden geguckt.
    »Los, Vincent, sag mal, sind wir Kleine-Kinder-Beklauer?«, hat Petja gefragt und Vincent in die Seite geboxt. Da hab ich gesehen, dass Vincents Jackentaschen sich auch ganz fürchterlich gebeult haben und sogar die von Laurin. Bestimmt waren die beiden hinter einem anderen Ostereier-Verteiler hergeschlichen.
    »Kleine-Kinder-Beklauer? Wir?«, hat Vincent gesagt und sehr empört geguckt. »Niemals!« Dann hat er drei Schwurfinger in die Luft gehalten. »Ich schwöre, dass wir das nur zum Wohle der Menschheit und der kleinen Zwerge getan haben, unter Gefahr des Todes!«
    Und gerade als ich sagen wollte, wieso das denn, die Menschheit und die kleinen Zwerge haben ja wohl ihretwegen gerade kein einziges Osterei abgekriegt, hat Petja einen Finger auf die Lippen gelegt und ist dahin gelaufen, wo Maus schon die ganze Zeit rumgestapft ist. Er hatte den Blick fest auf den Boden gerichtet, er hat aber natürlich nichts gefunden. Es war ja längst nichts mehr da.
    »Hier hat der ja gar nicht!«, hat Maus gesagt, und ich hab richtig gesehen, dass seine Unterlippe ein bisschen gezittert hat, als ob er gleich
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