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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens
Autoren: Dean R. Koontz
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bei jedem Job bewaffnet. Bobby war Optimist, sie war Pessimistin. Bobby ging davon aus, daß alle Menschen schon im eigenen Interesse vernünftig wären. Doch Julie erwartete immer, daß jeder augenscheinlich normale Mensch heimlich ein irrer Psychopath war. An der Rückwand des Handschuhfachs war eine 357er Magnum mit einem Bügel befestigt, und eine Uzi - mit zwei Ersatzmagazinen mit je dreißig Schuß -lag auf dem Beifahrersitz. Nach dem, was sie aus dem Kopfhörer gehört hatte, bevor er verstummt war, würde sie die Uzi brauchen.
    Der Toyota flog nahezu an der Seitenfront von Decodyne vorbei. Sie riß das Steuer hart nach links und bog in den Michaelson Drive ein. Der Wagen fuhr fast nur auf zwei Rädern, beinahe hätte sie die Kontrolle verloren, aber eben nicht ganz. Vor ihr, an der Ecke vor dem Gebäude, parkte der Dodge, und ein weiterer Kleinbus -ein dunkelblauer Ford - stand mit weit offenen Türen auf der Straße.
    Zwei Männer, die offensichtlich in dem Ford gewesen waren, standen ungefähr vier, fünf Meter von dem Ford entfernt und feuerten wie wild mit ihren Maschinenpistolen auf den Wagen. Sie ballerten mit solcher Vehemenz, daß man hätte meinen können, sie seien nicht hinter dem Mann im Wageninneren her, sondern hegten irgendeinen heimlichen Groll gegen den Dodge selbst. In dem Moment, in dem sie aus der Zubringerstraße in den Michaelson Drive einbog, hörten sie auf zu schießen, drehten sich zu ihr um und schoben eiligst neue Magazine in ihre Waffen.
    Das beste wäre es, schleunigst die hundert Meter hinter sich zu bringen, die sie von den Männern trennten, den Toyota abzustellen, herauszuschlüpfen, das Auto als Dekkung zu benutzen, die Reifen des Ford zu zerschießen und die beiden dann festzuhalten, bis die Polizei erschien. Doch dafür hatte sie keine Zeit. Die beiden waren bereits dabei, die Mündungen ihrer Waffen zu heben.
    Die Tatsache, daß diese Straße im Herzen des großstädtischen Orange County zu dieser Stunde der Nacht so verlassen wirkte -keine Menschen, kein Verkehr und nur in das gelbliche Licht der Natriumdampf-Straßenlampen gehüllt -, ließ sie nicht die Nerven verlieren. Sie waren in einem Bezirk, in dem es nur Banken und Bürogebäude gab. Die Wohnhäuser, Restaurants oder Bars waren einige Blocks entfernt. Dies hier hätte genausogut eine Stadt auf dem Mond sein können, oder eine Vision der Welt, nachdem sie von einer geheimnisvollen Krankheit heimgesucht worden war, die nur eine Handvoll Menschen überlebt hatten.
    Sie hatte keine Zeit, die bewaffneten Männer nach allen Regeln der Kunst außer Gefecht zu setzen, und sie konnte auch mit keinerlei Hilfe rechnen, also würde sie das tun, was die beiden am wenigsten erwarteten: die Kamikaze-Fahrerin spielen, ihr Auto als Waffe benutzen.
    In dem Augenblick, in dem sie den Wagen voll unter Kontrolle hatte, trat sie das Gaspedal ganz durch und schoß geradewegs auf die beiden Mistkerle zu. Sie eröffneten das Feuer, doch sie war bereits vom Sitz gerutscht und hatte sic h zur Seite geworfen. Sie versuchte -den Kopf unterhalb des Armaturenbretts -das Steuer aber dennoch relativ fest zu halten.
    Kugeln prallten vom Wagen ab und pfiffen an ihm vorbei. Die Frontscheibe zerbarst. Eine Sekunde später erwischte Julie einen der Schützen so heftig, daß die Wucht des Aufpralls ihren Kopf nach vorn schnellen ließ. Er donnerte gegen das Steuerrad. Von ihrer Stirn tropfte Blut, ihre Zähne knallten so kräftig aufeinander, daß ihr Kiefer schmerzte. Und als sie quälende Nadelstiche in ihrem Gesicht spürte, hörte sie, wie der Körper des Mannes hochgeschleudert wurde und auf der Motorhaube aufschlug.
    Blut rann von ihrer Stirn und tropfte über ihre rechte Augenbraue hinunter, doch Julie tippte unbeirrt auf die Bremse und setzte sich gleichzeitig auf. Vor sich sah sie die Leiche eines Mannes, die sich im Rahmen der Windschutzscheibe verfangen hatte. Sie blickte in weitaufgerissene Augen. Sein Gesicht war direkt über dem Steuer -abgebrochene Zähne, aufgeplatzte Lippen, ein zerschmettertes Kinn, eine zerfetzte Wangenpartie -und eins seiner gebrochenen Beine war ins Innere des Wagens geschleudert worden und zwischen Armaturenbrett und Sitz eingeklemmt.
    Julie trat das Bremspedal kräftig durch. Durch die jähe Verringerung des Tempos wurde der Mann zurückgeschleudert. Sein lebloser Körper rollte über die Motorhaube zurück, und als das Auto schlitternd stoppte, fiel er hinunter und verschwand aus ihrem Blickfeld.
    Julies Herz
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