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Orla Froschfresser

Orla Froschfresser

Titel: Orla Froschfresser
Autoren: Ole Lund Kierkegaard
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Knopflöcher», flüsterte ich.
    Wir gingen die Straße entlang.
    «Halt!» flüsterte ich. «Da vorn steht Frau Olsen.»
    «Na und!» brummte Jakob aus dem Mantel. «Ist doch wurscht. Die erkennt uns sowieso nicht.»
    «Hoffen wir’s», flüsterte ich.
    Jakob schien wirklich recht zu haben, denn als wir an Frau Olsens Garten vorbeigingen, lächelte sie mich an und sagte: «Guten Tag. Was für ein regnerisches Wetter!»
    «Guten Tag», sagte ich mit tiefer Stimme. «Wie wunderbar die Sonne heute scheint!»
    Frau Olsen hätte fast den Regenschirm fallen lassen.
    Sie sagte nichts mehr, sondern sah uns mit offenem Mund nach.
    «Ha!» flüsterte ich. «Die hat uns bestimmt nicht erkannt.» Als nächsten trafen wir den kleinen Bent.
    Er hüpfte mit einem Weißbrot unter dem Arm durch die Pfützen und bemerkte uns erst, als er Jakobs Schuh gegenüberstand.
    «Probier mal aus, ob der uns auch nicht erkennt», flüsterte Jakob unten im Mantel.
    «Guten Tag, kleiner Bent», sagte ich mit der tiefsten Stimme, die ich zustande brachte. «Was treibst du denn da?»
    Der kleine Bent fuhr vor Schreck gewaltig zusammen, als ich ihn ansprach. Er ließ sein Weißbrot fallen und begann erbärmlich zu heulen.
    «Aber, was ist denn, kleiner Bent!» rief Jakob aus un-serm Bauch. «Erkennst du uns denn nicht?»
    Als unser Bauch zu reden anfing, bekam der kleine Bent noch mehr Angst. Er rannte die Straße entlang und brüllte wie ein Indianer.
    «Der hat uns auch nicht erkannt», sagte ich. «Kein Mensch im ganzen Dorf wird uns erkennen. Wir können ruhig herumgehen und Quatsch machen.»
    Weiter kam ich nicht, denn in diesem Augenblick bog Orla der Froschfresser beim Kaufmann um die Ecke.
    Er schien es sehr eilig zu haben, und über der einen Schulter hing ihm ein langes Seil.
    «Hilfe!» stieß ich hervor. «Da kommt Orla. So lauf doch, Mann!»
    «Du hast gut reden», flüsterte Jakob unten im Mantel. «Du bist doch viel zu schwer. Versuch lieber, ihm einen Schreck einzujagen.»
    Vor lauter Angst, Orla könnte mich erkennen, verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke.
    «Guten Tag», sagte ich mit meiner tiefen Stimme. «Was hast du denn vor, mein Junge?»
    Orla wäre fast über seine eigenen Beine gefallen und versteckte schnell das Seil hinter dem Rücken.
    «Ohhh...» sagte er. «Nichts Besonderes...»
    «Na, na», sagte ich und runzelte die Augenbrauen wie ein richtiger erwachsener, strenger Mann. «Du bist doch hoffentlich nicht hinter kleinen Buben her, was?»
    «Nöhhh», sagte Orla und trat nervös einen Schritt zurück. «Nööhhh... hmmm... ich suche... suche meinen... äh... Hund.»
    Ich blickte noch strenger drein.

     
    «Das stimmt nicht!» rief ich zornig. «Du hast doch überhaupt keinen Hund, du Halunke.»
    Orla starrte mich mit offenem Mund an und machte ein sehr erschrockenes Gesicht.
    «Woher wissen Sie das?» fragte er.
    «Ich weiß alles über dich, du Bösewicht», brummte ich. «Du willst einen von den kleinen, herzigen Jungen fangen und ihn mit deinem Seil fesseln. Aber wenn du nicht aufhörst, den kleinen Jungen aufzulauern, werde ich dafür sorgen, daß du ins Gefängnis kommst.»
    Orla trat vor Schreck von einem Bein aufs andere, und es sah schon aus, als wolle er weglaufen, als Jakob plötzlich hinter dem Mantel zu niesen anfing.
    Orla starrte erst den Mantel an, dann mich und dann wieder den Mantel.
    Nun aber verzog sich sein Gesicht zu einem häßlichen, bösen Grinsen.
    «Ach, so ist das!» grollte er. «Also ihr beiden kleinen Mistkerle seid das! Ihr lauft hier rum und verulkt die Leute. Euch werd ich’s zeigen!»
    Damit sprang er direkt in den Mantel hinein und warf uns um. Ich rollte ein ganzes Stück und verlor dabei den Bart und auch den Hut. Ich krabbelte und zappelte, um auf die Beine zu kommen, aber ich verhedderte mich in dem weiten Mantel. Und als ich mich endlich befreit hatte, packte mich Orla der Froschfresser mit seinen langen Fingern.
    «Ha!» geiferte er. «Jetzt ist es um dich geschehen, mein Hühnchen.»
    Er nahm das lange Seil und band mir das eine Ende um den Leib. Das andere Ende des Seiles schlang er sich selbst um die Mitte, und so zog er mit mir davon.
    Uha, dachte ich und zitterte vor Furcht. Wahrscheinlich wird er mich jetzt aufhängen. Wenn ich doch nur eine Kanone hätte, dann würde ich ihn erschießen.
    Aber ich hatte keine Kanone, und Orla zog mit mir ab, ohne daß ich das geringste dagegen tun konnte.
    Manchmal ist es schrecklich, klein zu sein.
     

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