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Orla Froschfresser

Orla Froschfresser

Titel: Orla Froschfresser
Autoren: Ole Lund Kierkegaard
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will mich aufhängen
     
     
     
    Orla ging so schnell, daß ich kaum mitkam.
    Ein paarmal versuchte ich, den Knoten aufzuknüpfen, aber jedesmal, wenn ich das Seil berührte, zog Orla fest an dem Strick, und ich fiel auf die Nase.
    Orla der Froschfresser war ein schlimmer, boshafter Kerl. Er zog mich am Bäckerladen vorbei und bog in den Weg ein, der zur alten Windmühle führt.
    O weh, o weh! dachte ich und sträubte mich, so sehr ich nur konnte. Er schleppt mich irgendwohin, wo keine Menschenseele wohnt.
    Die alte Windmühle liegt ganz einsam auf einem Hügel außerhalb des Dorfes.
    Sie wird seit vielen Jahren nicht mehr benutzt. Die großen Windmühlenflügel sind schon auseinandergefallen. Die Treppen im Innern der Mühle sind so morsch, daß man nicht mehr hinaufsteigen kann. Es gibt in der Mühle auch keine Fensterscheiben mehr. Die haben die Jungen schon Vorjahren eingeworfen.
    Die alte Windmühle ist ein ödes, verlassenes Haus.
    «Hä, hä!» quakte Orla und sah mich aus seinen gelben Augen an. «Jetzt wirst du auf gehängt, du kleines Miststück.»

    Und dann zog er so fest an dem Strick, daß ich auf die Nase fiel.
    Ich hatte vor Angst eiskalte Hände.
    Man stelle sich vor, Orla wollte mich wirklich aufhängen.
    Dann würde ich Jakob und Tune und all die anderen Jungen nie wiedersehen.
    Ich würde nie wieder den Hügel bei der Kirche hinunterschliddern oder die Schweine des Bäckers aus ihrem Schweinestall lassen. Ich würde auch nie wieder im Obstgarten des Schmieds in den Bäumen sitzen und Pflaumen essen und mir einen guten Tag machen können.
    Es waren alles wunderschöne, doch sehr, sehr traurige Gedanken.
    Orla schleppte mich durch den alten Mühlengarten, in dem das Gras ebenso hoch war wie ich.
    Ich versuchte mehrmals, mich an einem Baum festzuhalten, doch Orla zerrte einfach so lange an dem Strick, bis mir die Arme weh taten.
    Orla war viel, viel stärker als ich.
    Als wir zur Mühle gekommen waren, zeigte Orla mir ein Fenster ganz hoch oben und sagte:
    «Siehst du das Fenster dort oben, du Küken?»
    «Ja», sagte ich und kniff den Mund zusammen, um Orla nicht merken zu lassen, wie sehr ich mich fürchtete.
    «Gut», sagte er und grinste. «Und siehst du auch, daß unter dem Fenster ein Balken hervorsteht?»
    Ich sagte kein Wort.
    Ich sah den Balken sehr wohl. Er ragte direkt unter der Fensteröffnung aus der Mauer. Man hatte ihn früher gebraucht, um die Kornsäcke hinaufzuziehen.
    «Jetzt werfe ich das Seil über den Balken», sagte Orla mit seinem häßlichen Lachen. «Und dann ziehe ich dich hinauf. Du darfst dort oben bleiben — bis du einmal von selbst herunterfällst und dir das Genick brichst.»
    Ich starrte Orla an, und ich starrte die Windmühle an, und mir wurde so recht bewußt, wie verlassen die Mühle hier oben stand und wie kalt und ungemütlich es sein mußte, nachts auf dem Balken zu sitzen, wenn die Käuzchen in den hohen Bäumen im Mühlengarten schrien. Mir wurde mehr als erbärmlich zumute, und ich hatte nur einen Wunsch — nämlich Orla dem Froschfresser nie im Leben begegnet zu sein.
    «Na, du Hosenscheißer!» rief Orla, befreite sich von dem Seil und warf es über den Balken. «Jetzt darfst du ein bißchen fliegen.»
    Nun begann er mich in die Lüfte zu hissen.
    Doch er wurde sehr schnell müde.
    «Puhhh!» stöhnte er. «Du bist ja schwerer als ein Sack Kartoffeln. Wenn ich doch nur einen Flaschenzug hätte.»
    Er überlegte ein Weilchen.
    «Ahhh!» sagte er dann. «Jetzt weiß ich, was ich mache. Ich wickle mir das Seil einfach wieder um den Bauch.»
    Und während Orla weiter zog und sich dabei den Strick um den Bauch wand, damit er ihm nicht aus den Händen gleiten konnte, stieg ich höher und höher, und tief unter mir wurde Orla kleiner und kleiner.
    Doch während ich so in der Luft baumelte und an viele Dinge dachte, kam mir eine Idee. Und diese Idee war so gut, daß ich zu lachen begann.
    «Was!» schrie Orla zornig. «Du lachst? Na, warte nur! Das Lachen wird dir schon noch vergehen.»
    Aber es verging mir nicht.
    Ich lachte. Ich war plötzlich allerbester Laune.
    Am liebsten hätte ich gesungen.
    «Na, wie gefällt dir das Fliegen?» fragte Orla hämisch.
    «Prima!» rief ich.
    Orla glotzte mich ärgerlich an und zog und zog.
    Schließlich hatte ich den Balken erreicht.
    Junge, Junge, war das eine Entfernung bis unten. Wenn man Orla von hier oben ansah, war er nur ein kleiner Knirps.
    Aus dieser Höhe sah er nicht die Spur gefährlich aus.
    Ich umfaßte den
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