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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Autoren: Andreas Gößling
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während Amos dem Gemurmel des Kauernden zuhörte, wurden seine Gewissensbisse und sein Mitgefühl mehr und mehr von ungläubiger Wut verdrängt. »
Er knietevor ihr, wie er es sich tausendfach ausgemalt hatte«,
winselte Johannes, »
und sie beugte sich vor und legte ihre schlanke weiße Hand auf sein Haupt und sagte: ›Laurentius, mein geliebter Herr – versprecht mir, dass Ihr mich nie mehr verlassen werdet.‹«
    Amos wollte seinen Ohren nicht trauen – dieses nichtswürdige Knochenbündel von einem Bücherjägergehilfen schmachtete Klara doch wahrhaftig wie eine verliebte Nachtigall an! So als ob er selbst der Ritter Laurentius wäre und Klara niemand anderes als Lucinda, die seit Jahr und Tag darauf gewartet hatte, dass ihr über alles Geliebter endlich zu ihr zurückkam.
    Amos wollte mit einem Wutschnauben dazwischenfahren, doch Klara warf ihm einen besänftigenden Blick zu. Lass ihn, bitte – er ist außer sich vor Angst und Einsamkeit .
    Vor Einsamkeit?, dachte Amos. Wie eine Stichflamme schoss Eifersucht in ihm empor. Klara wollte doch nicht etwa dafür sorgen, dass sich dieser Bursche weniger einsam fühlte?
    Mit einem stillen Lächeln schüttelte sie fast unmerklich den Kopf in Amos’ Richtung. Gleichzeitig fasste sie Johannes unter der Achsel und das zerlumpte Knochenbündel ließ sich ohne weiteres Widerstreben auf die Füße ziehen. Allerdings knickte Johannes mit seinem rechten Fuß gleich wieder ein – offenbar war die Wunde, die er sich zugezogen hatte, als ihn Klara damals auf der Füchsin hinter sich hergeschleift hatte, noch nicht gänzlich verheilt.
    Johannes ließ die Stute auch keinen Moment aus den Augen, während er, von Klara gestützt und geleitet, an dem mächtigen Pferdeleib vorbei in den Wohnraum der Jagdhütte humpelte. Das Gewehr hatte sich Klara achtlos über die Schulter gehängt, und wenn Johannes es darauf angelegt hätte – bestimmt hätte er ihr die Waffe in diesem Moment entreißen und
Das Buch der Geister
aufs Neue an sich bringen können.
    Das Buch
lag auf dem kleinen Holztisch unter dem Fenster. Amos, der hinter den beiden in die Stube getreten war, behielt Johannes scharf im Auge. Deshalb sah er auch ganz genau, wie derBlick des anderen Jungen auf
Das Buch der Geister
fiel und Johannes für einen kurzen Moment regelrecht erstarrte. Doch schon im nächsten Augenblick ließ er sich fügsam weiterziehen und schaute sogar in eine andere Richtung – so als ob kaum ein zweites Ding in diesem Zimmer ihm derart gleichgültig wäre.
    »Wo hast du deinen Herrn gelassen«, fuhr ihn Amos an, »den Unterzensor Skythis und seine gepanzerten Bücherjäger? Raus mit der Sprache, Johannes!«
    »Kein … nein … kein Herr«, winselte der andere Junge. Er legte die Hände aufeinander und reckte sie Amos beschwörend entgegen. »Kein Skythis … keine … nur ihr …«
    Eben als er mit Johannes magisch verbunden gewesen war, hatte Amos im Innern des anderen keine Hinterlist, keine Verstellung entdeckt. Trotzdem blieb er auf der Hut. Auch wenn Johannes diesmal die schrecklichen Bücherjäger wohl nicht im Schlepptau hatte, war er selbst doch bestimmt nach wie vor hinter dem
Buch der Geister
her.
    Noch während Amos das dachte, wandte sich Johannes zu ihm um. Sie standen jetzt alle drei auf dem Bärenfell vor dem Kamin und Johannes musterte aufmerksam die Ketten und Schlösser an Amos’ Hand- und Fußgelenken. »Willst du die nicht loswerden?« Mit einem Mal wirkte er ziemlich normal – seine Augen waren nicht mehr verdreht und seine Stimme hatte überhaupt nichts Winselndes mehr.
    »Wie denn«, fragte Amos, »ohne Schlüssel?«
    Der Tag neigte sich bereits wieder. Durch die Ritzen in Wänden und Fensterläden drang nur noch dämmriges Abendlicht herein. Klara setzte ein Schwefelholz in Brand und ging im Zimmer umher, um einige der Wachskerzen anzuzünden, die der Jäger auf dem Kaminsims, auf Tisch und Herd aufgestellt hatte.
    »Ha, du bist wohl selber ein Buch!«, stieß Johannes hervor. »Das sich alleine nicht aufkriegen kann! Ha!«
    Amos und Klara wechselten Blicke. »Was soll das, Johannes?«, sagte Amos. »Was redest du für ein krummes Zeug?«
    Der andere Junge machte einen Satz, knickte beim Landen neuerlich mit dem rechten Fuß ein und kam dicht vor Amos zu stehen. »Krumm wie ich – wie ein Nagel, wenn der Hammer draufknallt, ha!« Seine Rechte schoss vor und bekam das Schloss an Amos’ Handfesseln zu fassen. Er hob es zu seinen Augen empor, und Amos ließ es zu, dass er
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