Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)

Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)

Titel: Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
Autoren: Veronika Bicker
Vom Netzwerk:
jetzt die ersten Mädchen aus ihrer Gruppe auf und starrten ebenfalls leicht schockiert auf den See. Rica hob die Hand aus dem Wasser und winkte gezwungen fröhlich.
    »Es ist ganz warm!«, rief sie, bevor sie sich wieder umdrehte und weiterschwamm. Sie musste in Bewegung bleiben.
    »Nicht zu weit raus!«, hörte sie Frau Gerritsen rufen. »Bis zum Steg da drüben und dann wieder zurück, ja?« Von welchem Steg redete sie? Rica kniff die Augen zusammen und ließ ihren Blick über die Wasseroberfläche wandern. Erst als sie nach rechts am Ufer entlang sah, entdeckte sie, was Frau Gerritsen meinte: ein kleines Bootshaus und daneben ein schmaler Steg, der weit ins Wasser hinein ragte. Es war nicht besonders weit. Nur einmal über eine kleine Bucht, hin und zurück vielleicht zweihundert Meter. Aber das reichte, um warm zu werden.
    Abermals hob Rica den Arm aus dem Wasser, Daumen nach oben, um Frau Gerritsen zu zeigen, dass sie verstanden hatte. Dann wandte sie sich nach rechts und begann zu kraulen. Hinter sich hörte sie das Gekreisch und Geschimpfe ihrer Mitschülerinnen, aber sie achtete nicht darauf. Jetzt, da sie sich erst einmal einigermaßen an die Wassertemperatur gewöhnt hatte, tat ihr das Schwimmen gut. Die Kälte schien ihre Gedanken zu klären, und die Bewegung lockerte ihre Muskeln.
    Mit weichen, flüssigen Bewegungen kraulte sie zum Steg und war schon auf dem Rückweg, als die ersten Mädchen zögernd ins Wasser gingen. Nur Eliza hatte es inzwischen geschafft, sie schwamm langsam im Bruststil, und als Rica an ihr vorbei zog, lächelte sie schwach.
    »Ich wünschte, ich wäre so gut im Sport wie du«, meinte sie.
    »Ich wünschte, ich wäre in allem anderen so gut wie du«, erwiderte Rica, lächelte aufmunternd und kraulte in Richtung Ufer. Inzwischen spürte sie die Kälte des Wassers gar nicht mehr richtig. Es war fast angenehm.
    »Komm raus, bevor du dich unterkühlst!«, rief ihr Frau Gerritsen entgegen, als Rica im flachen Wasser ankam. Rica warf einen Blick auf den inzwischen leergefegten Strand. Wenn sie jetzt rausging, würde sie erst recht frieren.
    »Kann ich noch eine Runde? Ich hole die anderen bestimmt ein!«, antwortete sie und sah über ihre Schulter zurück. Zwei Mädchen hatten ungefähr drei Viertel des Wegs zum Steg zurückgelegt, aber die meisten anderen waren weit hinter ihnen.
    Frau Gerritsen folgte ihrem Blick. »Meinetwegen«, meinte sie dann. »Aber danach gibt’s ein paar Übungen an Land, damit ihr wieder warm werdet. Schließlich sind wir nicht an dieser Schule, um euch umzubringen.«
    Da bin ich mir manchmal gar nicht so sicher, dachte Rica, als sie erneut umdrehte, um wieder ins Wasser zu tauchen. Mindestens zwei Schüler habt ihr schon auf dem Gewissen.
    Wieder fiel sie ins Kraulen, doch als sie ungefähr die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, merkte Rica, dass ihr allmählich die Puste ausging. Vielleicht hatte sie sich doch überschätzt, so kurz nach dem Skiurlaub, der ihrem Körper zuletzt das Höchste abverlangt hatte. Sie wurde langsamer, fiel vom Kraulen ins Brustschwimmen, und ließ es zu, dass ein paar Mädchen, die sie gerade noch überholt hatte, wieder an ihr vorbeizogen.
    Umso besser. Dann habe ich mehr Zeit für mich selbst, dachte sie, als sie die Rücken der Davonschwimmenden betrachtete. Sie schloss die Augen und schwamm für eine Weile blind. Sie hatte keine große Angst, die Richtung zu verlieren, sie konnte immer noch die Stimmen der anderen vor sich hören.
    Ich muss mir langsam überlegen, was ich tun soll. Eliza hat Pläne gemacht und sie auch schon in Gang gesetzt, aber was tue ich? Ma hat versprochen, mit mir zu reden. Und mein Vater … Sie konnte die Gefühle, die bei diesem Gedanken in ihr aufstiegen, nicht ganz einordnen. Ihr Vater. Sie konnte es nicht über sich bringen, ihn »Papa« zu nennen, oder »Pa«, oder sonst wie. Trotzdem brachte der Gedanke an ihn so etwas wie Wärme in ihren fröstelnden Körper zurück. Ihr Vater. Der ihr das Leben gerettet hatte. Und ihr doch nichts sagen wollte, oder vielleicht doch, denn er hatte versprochen, mit ihr zu reden. Irgendwann. Nicht jetzt.
    Das ist nicht gut genug, dachte sie, ich muss jetzt etwas herausfinden, nicht irgendwann. Sie schlug die Augen wieder auf und merkte, dass sie ein wenig abgedriftet war. Das Bootshaus und der Steg lagen rechts von ihr, sie war schon fast bis ans Ufer der Bucht geschwommen. Die meisten anderen Schüler hatten nichts bemerkt oder taten jedenfalls so, sie waren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher