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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition)
Autoren: Paul Cleave
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gleich einen Kostenvoranschlag unterbreiten und uns dann den Preis für die sonstigen Körperteile nennen. Ich hoffe, er hat noch Lider auf Lager, denn mein eigenes liegt noch auf dem Parkplatz.
    »Die Narben sind uns egal«, sagt Schröder.
    »Mir aber nicht«, sage ich.
    »Und mir auch nicht«, sagt der Arzt. »Verdammt, sein ganzes Augenlid fehlt.«
    »Nicht das ganze«, sage ich.
    »Was soll das heißen?«
    »Es liegt draußen beim Wagen. Auf dem Boden.«
    Der Arzt wendet sich zu Schroder. »Sein Augenlid liegt da draußen?«
    »Was davon übrig ist«, antworte ich für Schroder, der nur mit den Schultern zuckt.
    »Wenn Sie wollen, dass der Mann hier möglichst schnell entlassen wird, brauchen wir das Augenlid«, sagt der Arzt.
    »Wir holen es«, sagt Schroder.
    »Dann machen Sie hin«, erwidert der Arzt. »Sonst müssen wir fremdes Gewebe verpflanzen. Das dauert noch länger. Er muss das Auge wieder schließen können.«
    »Ist mir egal, wenn er es nicht mehr schließen kann«, sagt Schroder. »Kauterisieren Sie das verdammte Ding und kleben Sie ihm eine Augenklappe ins Gesicht.«
    Statt mit Schroder zu streiten oder ihn darauf hinzuweisen, dass dies nicht sein Fachgebiet ist, scheint der Arzt endlich zu begreifen, dass all diese Cops, all die Anspannung, all die Wut etwas zu bedeuten haben. Ich kann sehen – mit dem gesunden und dem blutigen Auge –, wie es ihm allmählich dämmert. Er runzelt die Stirn und schüttelt langsam und mit neugierigem Gesichtsausdruck den Kopf. Ich weiß, welche Frage jetzt kommt.
    »Wer ist dieser Mann?«
    »Das ist der Schlächter von Christchurch«, antwortet Schroder.
    »Ausgeschlossen«, sagt der Arzt. »Dieser Mann?«
    Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. »Ich bin unschuldig«, sage ich. »Ich bin Joe.« Der Arzt sticht mir eine Nadel in die Seite meines Gesichts, und die Welt gerät noch mehr aus den Fugen, dann wird alles taub.

Zwölf Monate später
    Kapitel 1
    Melissa biegt in die Auffahrt. Lehnt sich zurück. Und versucht, sich zu entspannen.
    Heute sind es höchstens zehn Grad Celsius. Christchurch- Regen. Christchurch-Kälte. Gestern war es warm. Jetzt regnet es. Schizophrenes Wetter. Melissa fröstelt. Sie beugt sich vor und schaltet den Motor aus, nimmt ihren Aktenkoffer und steigt aus dem Wagen. Der Regen durchnässt ihr Haar. Sie erreicht die Haustür und öffnet das Schloss.
    Sie schlendert in die Küche. Derek ist oben. Sie kann die Dusche hören und seinen Gesang. Sie wird ihn später belästigen. Erst mal braucht sie was zu trinken. Der Kühlschrank ist mit Magneten von irgendwelchen beschissenen Orten aus dem ganzen Land übersät, Orten mit hoher Schwangerschaftsrate, hoher Alkoholikerrate, hoher Selbstmordrate. Orten wie Christchurch. Sie öffnet die Tür und greift nach einer der sechs Bierflaschen, hält inne und entscheidet sich stattdessen für einen Orangensaft. Sie öffnet ihn und trinkt direkt aus der Packung. Derek hat bestimmt nichts dagegen. Ihre Füße tun weh, und ihr Rücken schmerzt, darum sitzt sie für eine Minute einfach nur am Tisch und lauscht der Dusche, während sie von dem Saft trinkt und ihre Muskeln sich langsam entspannen. Es war ein langer Tag, und vor ihr liegt eine lange Woche. Sie macht sich nicht viel aus Orangensaft – sie mag lieber Tropengeschmack, aber es gab nur Orange. Aus irgendeinem Grund glauben die Getränke hersteller, die Leute würden es mögen, wenn das Fruchtfleisch zwischen ihren Zähnen hängen bleibt und es sich anfühlt, als würde ihnen eine Auster auf die Zunge pissen. Und aus irgendeinem Grund scheint es genau das zu sein, was Derek mag.
    Sie schraubt den Orangensaft zu, stellt ihn zurück in den Kühlschrank und betrachtet die Pizzastücke darin, ohne sie jedoch anzurühren. In einem der Seitenfächer liegen mehrere Schokoladenriegel. Von einem knibbelt sie die Verpackung ab, beißt hinein und stopft die anderen Riegel – vier an der Zahl – in ihre Tasche. Danke, Derek. Während sie mit dem Aktenkoffer nach oben geht, verputzt sie den angefangenen Riegel. Aus der Stereoanlage im Schlafzimmer dröhnt ein Song, den sie kennt. Früher, als sie noch ein anderer Mensch war, mehr der Typ unbekümmerte Musikhörerin, hatte sie das Album auch. Es sind die Rolling Stones. Eine Greatest-Hits-CD, sie erkennt es an der Reihenfolge der Songs. Jetzt gerade singt Mick davon, dass die Sonne ver nichtet werden soll. Denn er will, dass die ganze Welt schwarz ist. Das will sie auch. Er klingt, als würde er einen
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