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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition)
Autoren: Paul Cleave
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mein Auge. Es ist nur noch durch einen dünnen Hautfetzen mit meinem Gesicht verbunden. Ich blinzle und versuche, es zu öffnen, doch es weigert sich.
    Was soll’s, ich war schon schlimmer verletzt. Sehr viel schlimmer. Wieder muss ich an Melissa denken.
    »Was gibt’s da zu grinsen?«, fragt der Mann in Schwarz.
    »Bitte?«
    »Ich hab gesagt, was zum Henker …«
    »Sei still, Jack«, sagt Schroder. »Red nicht mit ihm.«
    »Dieser Scheißkerl ist …«
    »Ist vieles«, sagt Schroder. »Red einfach nicht mit ihm.«
    »Trotzdem, ich finde, wir sollten ranfahren und so tun, als hätte er versucht zu fliehen. Komm schon, Carl, kein Hahn würde danach krähen.«
    »Mein Name ist Joe«, sage ich. »Joe ist ein netter Kerl.«
    »Schluss mit dem Scheiß«, sagt Schroder. »Beide. Haltet einfach die Klappe.«
    Mein Wohnviertel rast an mir vorbei. Die Blaulichter der Polizeiautos blinken, und ich schätze, sie beeilen sich so, damit ich beweisen kann, was sie sowieso schon über mich wissen – dass ich Slow Joe bin, ihr Kumpel, der freundliche, liebenswerte Volltrottel von nebenan, einer der unzähligen Rollwagenschieber, der nur will, dass ihr zufrieden seid. Die anderen Autos fahren an die Seite, um dem Konvoi Platz zu machen, und die Leute auf der Straße drehen sich um und gaffen. Das hier ist eine echte Parade. Am liebsten würde ich winken. Der Schlächter von Christchurch trägt Handschellen, aber keiner weiß, dass er es ist. Das können sie nicht. Wie sollten sie auch?
    Wir erreichen die Stadt. Ohne das Tempo zu drosseln, fahren wir am Polizeirevier vorbei. Zehn Stockwerke Langeweile, und nichts deutet darauf hin, dass es irgendwann in naher Zukunft weniger langweilig sein wird. Morgen werde ich wieder auf freiem Fuß sein und mit Melissa ein neues Leben beginnen. Wir fahren weiter. Keiner sagt etwas. Keiner summt vor sich hin. Und so langsam habe ich das Gefühl, Schroder hat es sich doch anders überlegt, und sie wollen es so aussehen lassen, als hätte ich einen Fluchtversuch unternommen, jedoch außerhalb der Stadtgrenzen, wo niemand mitkriegt, wie ich abgeknallt werde. Meine Klamotten sind blutgetränkt, aber das scheint niemanden zu stören. Keine Ahnung, ob das je wieder ganz rausgeht. Wir halten an einer roten Ampel. Jack glotzt in den Rückspiegel, als versuche er, ein Rätsel zu lösen. Ich starre eine Weile zu ihm zurück, dann senke ich den Blick. Meine Beine sind voller roter Spritzer und Schlieren. Mein Augenlid hat jetzt angefangen zu schmerzen. Es fühlt sich an, als hätte man es mit Brennnesseln eingerieben.
    Vor dem Krankenhaus kommen wir schließlich zum Stehen. Mehrere Streifenwagen bilden einen Halbkreis um uns. Es fängt an zu regnen. In einem Monat ist Winteranfang, und mich beschleicht das ungute Gefühl, dass ich ihn nicht mehr erleben werde. Gentlemanlike hält mir Jack die Tür auf. Und die anderen Männer in Schwarz richten – nicht ganz so gentlemanlike – ihre Pistolen auf mich. Ärzte, Patienten und Besucher starren vom Haupteingang zu uns herüber. Keiner rührt sich. Wir scheinen eine ganz schöne Show abzuziehen. Man hilft mir aus dem Wagen. Alles in Ordnung, denke ich, aber von wegen. Im Sitzen ist alles in Ordnung, jedoch nicht im Stehen. Im Stehen ist die Welt voller Handschellen, Pistolen und Blutverlust. Ich fange an zu taumeln und sinke auf die Knie. Von meinem Gesicht spritzt Blut auf den Gehweg. Zunächst scheint es, als würde Jack versuchen, mich aufzufangen, aber dann besinnt er sich eines Besseren. Und ich falle nach vorne. Ich schaffe es nicht, meine Hände vor meinen Körper zu reißen, um meinen Sturz abzufangen, sondern nur das verletzte Augenlid vom Boden weg Richtung Himmel zu drehen, doch irgendwie verwechsle ich dabei was – wahrscheinlich, weil ich in den letzten paar Minuten das Lid im Rückspiegel betrachtet habe – und lande schließlich doch mit dieser Seite meines Gesichts auf dem Boden. Ich sehe eine Menge Stiefel und die untere Hälfte des Wagens. Ich sehe zwei hungrig wirkende Polizeihunde, die an ihren Leinen zerren. Jemand legt seine Hand auf meinen Körper und dreht mich herum. Mein Augenlid bleibt in einer Blutlache auf dem nassen Parkplatz liegen. Es sieht aus, als hätte man dort eine Schnecke getötet, wie der Tatort eines obskuren Tiermords, wo in Kürze andere schleimige Arschlöcher versuchen werden herauszufinden, was passiert ist.
    Nur dass dieser schleimige Fleischfetzen dort von mir stammt. »Das gehört mir«, sage ich und spüre,
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