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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman
Autoren: Arne Dahl
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zu einem gewissen Punkt - dann schließt sie sich um uns und überwältigt uns. Sie dringt in uns ein, damit wir sie nicht loswerden können. Niemand wird böse geboren.«

    »Ist der Polizist auf der St.Eriksgata böse?«, versuchte es Grundström, aber Hjelm hörte an seiner Stimme, dass er aufgegeben hatte. An der Veränderung in den Nuancen.

    Der Blick, mit dem Arvid Gelbweiß zu Niklas Grundström aufsah, war abwesender denn je.

    »Und du, mein Freund, musst aufpassen. Die Wolke wird größer. Sie bedeckt schon fast die ganze rechte Gesichtshälfte.«

    »Okay, Arvid. Dann wird es wohl eine Weile dauern, bis Sie hier herauskommen. Wir sehen uns bald wieder.«

    »Ich will mit ihm reden«, sagte Arvid und zeigte auf Hjelm. »Er kann sagen, wie man die Wolke verschwinden lässt. Es war das erste Mal, dass ich das sehe. Aber jetzt muss ich schlafen.«

    Sie ließen ihn allein. Der Wärter erschien im Korridor, und sie gingen schweigend an der langen Reihe der Zellentüren entlang. Hjelm sah von Zeit zu Zeit verstohlen zu Grundström hinüber, der wieder sein normales, strammes Ich war.

    Äußerlich jedenfalls.

    Schließlich sagte Grundström ausdruckslos:

    »Ja, wie wird man die schwarze Wolke los, verdammt?«

    Paul Hjelm konnte nicht leugnen, dass ihn die Frage während des ganzen Gesprächs mit Arvid Gelbweiß beschäftigt hatte. Aber er hatte doch nichts Besonderes getan? In der letzten Zeit war in seinem Leben nichts Außergewöhnliches passiert. Oder doch? Atmete er nicht ein wenig leichter? Ging er dem Tag nicht mit etwas mehr Zuversicht entgegen? Aber das war ja nichts wirklich Neues - die einzige wirklich umwälzende Kraft, an die Paul Hjelm glaubte, war die Liebe, und die war vor einem Jahr gescheitert, sehr handgreiflich, in Form eines Nadelstichs in den Nacken im Parkhaus des internationalen Flughafens Arlanda. Vielleicht war er doch ein anderer gewesen, als er aufgewacht war? Vielleicht hatte ihm die merkwürdige und sehr zwiespältige Frau mit Namen Christine Clöfwenhielm doch eine positive Kraft injiziert? Er wusste es nicht. Und das sagte er.

    »Ich weiß es nicht.«

    Grundström wechselte ohne sichtbare Anstrengung das Thema:

    »Er ist tatsächlich Astronom geworden. Sein Name ist Arvid Lagerberg, und, er war eine Zeit lang ein international anerkannter Forscher. Schwedischer Vertreter an einem Observatorium namens Keck - du als Bildungssnob kennst das sicher. Dann ging es abwärts. Wie bist du auf den Kongo gekommen?«

    »Ich weiß nicht«, sagte Hjelm stillvergnügt. »Es ist ein dunkler Fleck in der schwedischen Geschichte. Schwedische UN-Soldaten sind kürzlich wieder in den Kongo gegangen, vierzig Jahre später. Was dort beim vorigen Mal passiert ist, liegt immer noch im Dunkeln. Ich habe mich ein wenig für diese Zeit interessiert. Ein Haufen naiver junger Schweden wurde in eine wahre Pesthöhle geschickt, und dort wurden sie zu Monstern. Niemand wollte sie da haben. Weder die kongolesische Armee noch die Katanga-Milizen, schon gar nicht die noch anwesenden belgischen Offiziere und auch nicht die widerlichen Söldner aus Südafrika. Alle lehnten die UN-Truppen ab.«

    »Was du alles weißt«, sagte Grundström mit Marmorstimme.

    »Ich weiß noch was«, sagte Paul Hjelm kühl. »Der Terminus Schwarzes Loch wurde erst 1968 von dem Physiker John Wheeler geprägt.«

    »Tüchtiger Junge. Und was hätte das zu bedeuten?«

    »Dass Arvid auf diesen Witz mit den schwarzen Löchern in Afrika vermutlich selbst gekommen ist. Oder ihn sich zumindest angeeignet hat. Was wiederum bedeuten würde, dass er ein bisschen direkter, als er behauptet, an einer Reihe von Vergewaltigungen beteiligt gewesen ist. Und vielleicht ist er auch diesem Polizisten Hans-Jörgen begegnet. Dem Teufel.«

    »Nun mal langsam«, sagte Grundström. »Es war Krieg, und außerdem ist es über vierzig Jahre her. Was kann das in unserem Zusammenhang für eine Rolle spielen?«

    »Es ist entscheidend für seinen Charakter«, antwortete Hjelm und zuckte die Schultern. »Denn ich vermute, dass du bei dieser ganzen Sache daran gedacht hast, dass ich mich seiner annehme?«

    »Aber er ist doch total versoffen. Er hat keinen Charakter. Der ist geistig völlig weg. Da ist nur Chaos. Das Land der Farne, Scheiße. Es geht nur darum, ihn zum Reden zu bringen.«

    »Wie du da drinnen vermutlich gemerkt hast, gehört dazu etwas mehr als sonst«, sagte Hjelm trotzig. »Aber die Grundfrage ist: Warum so viel Energie darauf verwenden?
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