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Operation Glueckskeks

Titel: Operation Glueckskeks
Autoren: York Pijahn
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Neuestem meinen Frieden mit dem Reisen gemacht habe. Denn ich bin Vorsaison-Tourist, einer von denen, die die Masse und die Urlaubsflieger meiden. Die zur denkbar ungünstigen Zeit an denkbar ungünstige Orte reisen. Januar in Venedig, Februar in Sharm El-Sheikh, März in der Normandie.
    Der Vorsaison-Tourist ist ein Streber. Er will als Erster da sein, als Erster im neuen Bürojahr von den Kollegen wegen seines Teints beneidet werden - auch wenn er zu 60 Prozent aus Selbstbräuner besteht. Und er will Sätze sagen wie diesen: »Oh. My. God. Im Januar ist Ägypten ja so-ho leer.«
Kunstpause, die Stimme zwei Oktaven runter: »Und so-ho billig.«
    Als Kind ist der Vorsaison-Tourist immer eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn vor dem Klassenzimmer herumgestrichen und hatte bereits die Hausaufgaben für übernächste Woche gemacht. Im Urlaub ist er ebenfalls früh dran und wundert sich, dass die Espressomaschine in der Hotelbar noch nicht funktioniert, die Kameltrips zur Oase erst ab Mai zu buchen sind und alle Kellner ihn anschauen wie den ersten Gast, der auf einer Party auftaucht. Froh, dass man da ist, aber mit diesem mitleidigen Blick, der sagt: »Na, Alter, du hattest wohl auch nix Besseres zu tun, als uns die ruhigen Wochen zu versauen?« Dann zieht der Kellner ab, um eingehüllt von einer süßlichen Marihuana-Wolke um den Pool herum zu fegen und noch mal zu fegen und noch mal zu fegen. Muss ja gemacht werden, bevor die echten Touristen kommen.
    Ich setze mich über so was hinweg. Das ist die Haupteigenschaft des Vorsaison-Touristen. Er ist tapfer wie die wettergegerbten Rentner mit den Volkssturmgesichtern, die jetzt mit mir die Reise in den Süden antreten. Man ist Teil der Vorhut und muss sich daher am Riemen reißen, die Tristesse der leeren Hotelflure ignorieren, die Tatsache, dass man abends alle Klamotten anzieht, die man dabeihat, übereinander, denn es ist saukalt, obwohl Vorsaison-Touristen lieber von »frisch« oder »schattig« sprechen. Aber auch wenn es im Golf von Aqaba nur 18 Grad frisch und das Wasser so schattig wie die Nordsee im April ist, wird trotzdem gebadet. Das Lieblingskleidungsstück des Vorsaison-Touristen ist und bleibt die Gänsehaut.

    Illu. 13

    Im letzten Ägypten-Urlaub schwamm außer mir im Pool nur ein Schwimmreifen mit aufblasbarer Palme, der die Luft ausgegangen war. Ich hatte im Restaurant so viel Platz, dass dort ein Hubschrauber hätte landen können. Man hat Zeit, um 78 Partien Backgammon gegen den Barkeeper zu spielen,
und geht in Ausstellungen, die traditionellen Brautschmuck aus dem Sinai zeigen.
    Während Sie das hier lesen, sitze ich in einem Hotel am Golf von Aqaba. Es ist Februar, und hier ist ein Wetter wie in der Grippemittel-Werbung, der Selbstbräuner hat mir einen Teint verpasst, der mich wie einen gescheckten Sohn von Barack Obama aussehen lässt. Und so bekloppt es sich anhört, es ist super. Ich habe acht Bücher gelesen, die Zeit ist dickflüssig, zwei Wochen fühlen sich an wie sechs. Und da es außer Kaffeetrinken und Backgammon nichts zu tun gibt, werde ich heute Nachmittag vielleicht helfen, am Pool ein bisschen zu fegen. Muss ja gemacht werden. Bevor die Urlauber kommen. Die richtigen.
    Das Lieblings-Kleidungsstück des Vorsaison-Touristen ist und bleibt die Gänsehaut.

Na sauber: Geliebte Putzfrau
    A ls Erstes ist da dieser Duft. Ein Beißen. Ein Flirren. Eine durchsichtige Wand schwebt in der Luft, deren Geruch so stark ist, dass man kurz blinzeln muss. Eine Woge aus… Chlor. Ich liebe diesen Moment. Den Augenblick, wenn ich donnerstagabends von der Arbeit komme. Neun Stunden vorher habe ich eine Wohnung verlassen, die aussah, als hätte die Belegschaft eines russischen Wodkakombinats einen draufgemacht, und jetzt das: Chlor, die Mutter aller Reinigungsmittel. Mein Bad ist nicht nur sauber, es ist steril. So keimfrei, dass man in der Dusche eine Herztransplantation durchführen und im WC seine Kontaktlinsen reinigen könnte. Malwina war hier, meine in Polen geborene Putzfrau. Seit zwei Jahren sind sie und ich aneinandergekettet. Sie hat mich im Griff wie ein Ringer, im Schwitzkasten der Abhängigkeit. Doch dazu später.
    Malwina putzt mit Chemikalien, die wahrscheinlich seit den Sechzigerjahren illegal sind, Flüssigkeiten, die man nur per Internet aus Restbeständen der Nationalen Volksarmee kaufen kann - und die dazu taugen würden, Tätowierungen binnen weniger Sekunden aus der Haut zu beizen oder Autobahnasphalt zum Schmelzen zu
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