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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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anderen, zu schreiben. Die Inspiration, die die letzten Energien des Geistes konzentriert, verhalf ihm zu so viel Klarheit und Kraft, daß er, statt zu denken, zu transkribieren schien:
     
    Lieber Piet,
    Stille! Solange man das Leben würdevoll ertragen kann, ist man verpflichtet, es zu leben. Doch wenn sich die Falschheit der immerwährenden Werte herausstellt, ist es eine Feigheit zu leben. Richte mich nicht. Nur der Tod richtet über das Leben. Dies ist mein Urteilsspruch.
    Stille! Eine Blume aus Zärtlichkeit sei das Verständnis Deines Lächelns. Und eine Sonne, die den Abgrund meiner Todesstunde erhellt, die verkleinerte Sonne, die im lichten Punkt Deiner Pupillen erstrahlt. Die Sonne, die in Deinen Tränen hinunterkullert.
    Stille! Warum der fruchtlosen Erinnerung an mich so viel Wert beimessen? Behalte sie und nichts weiter. Auch Du bist ein Ergebnis Deiner Erinnerungen … Mögest Du diese Erinnerung niemals von der Liebe erwecken lassen! Die Erinnerung an die Zukunft, die Du im Traum ersannst, würde Dich erleuchten. Das ist fatal.
    Stille! Du weißt, daß mein Egoismus widerlegt hat, was er nur konnte, und daß ich nun ›das höchste Prinzip aller Pflicht‹ widerlege. Du weißt, daß ich, während ich mich in den Freitod stürze, über Gott lache. Gut, schweig und sei nachsichtig.
    Stille! Breite Dein Mitleid nicht wie einen Mantel über meinen Leichnam. Folge nicht der dummen Philosophie des guten Beispiels, jeder ist ein trauriges Beispiel an Unbeholfenheit in jenem von Paradoxien freien Leben, das man im Grunde seines Wesens lebt.
    Stille! Das tragische Schweigen eines entstellten Gesichts. Mein Atem kehrt zur Luft zurück, mein Feuer zur Sonne, mein Schatten zur Erde. Und all mein Geschwätz zur wesentlichen Stummheit der Welt. Nicht ein Wort. Es gibt ein ungeheures Risiko. Du könntest Dich hören …
    Stille! Ich bin eine Seele, die viele Tode hinter sich hat. Das macht mich stolz. Es ist das einzige Vermögen, das zählt … Aus der posthumen Ferne werde ich kommen, Deine Freundschaft zu suchen, die der große Fund meines Lebens war. Schon bald werden wir an der Schwelle des Mysteriums miteinander plaudern.
     
    Hosianna, Piet!
    OP OLOOP
     
    Er las den Brief mit kalter Nüchternheit. Er handelte im Einvernehmen mit einem Plan, den sein Unterbewußtsein für ausgereift erklärte, da er sich ohne großen Gefühlsaufruhr durchführen ließ. Er nahm mehr Papier und schrieb:
     
    Gastón,
    Kustaa Iisakki, »die Schwedin«, die Sie mir angewiesen haben, ist niemand Geringeres als meine geistige Tochter. Wenn ich auch den Traum nicht materialisiert habe, klagt ihre Realität mich doch an. Um der Liebe willen, die ich für ihre Mutter empfand: Minna Uusikirkko – Tochter des Literaturlehrers am Gymnasium von Oulu – bitte ich Sie, mit Piet und Franziska in der edlen Aufgabe zusammenzuarbeiten, ihre Seele zu retten.
    Ich vertraue auf Sie, wie ich es immer getan habe,
    OP OLOOP
     
    Trübsinnig lächelnd trocknete er die Tinte. Seine Schrift war sauber, sicher, kühl stilisiert. Als nächstes, ohne Zögern, setzte er auf: Ich, Optimus Oloop, Junggeselle, neununddreißig Jahre alt, geboren in Oulu, Finnland, erkläre mit diesem meinem eigenhändigen Testament: Erstens: Daß ich keine Pflichterben habe. Zweitens: Daß ich niemandem etwas schulde und daß niemand mir etwas schuldet. Drittens: Daß mein Erbgut aus dem Mobiliar dieser Wohnung und achtundzwanzigtausend Pesos auf der Banco Anglo Sud Americano besteht. Viertens: Daß ich das Mobiliar mit seinem ganzen wissenschaftlichen Material dem Zentralamt für Statistik vermache, und den Rest der Einrichtungsgegenstände meinem valet. Fünftens: Daß ich das Geld zu gleichen Teilen Minna Uusikirkko, Kustaa Iisakki, Piet Van Saal und Franziska Hoerée vermache. Sechstens: Daß, da erstere im Irrenhaus für Frauen von Helsinki interniert ist, Piet Van Saal über die Summe verfügen soll, um für den Wiedergewinn ihrer Gesundheit Sorge zu tragen. Siebtens: Daß, da zweitere sich als Freudenmädchen chez Madame Blondel in dieser Stadt befindet, Franziska Hoerée über die Summe verfügen soll, um ihre Rückkehr in die Gesellschaft zu bewirken. Achtens: Daß mein Leichnam verbrannt werden und meine Asche vom Luftfahrtkommissar Don Luis Augusto Peñaranda über dem Rio de la Plata verstreut werden soll, in der Nähe des Ortes, wo die Abwässer der Metropole einmünden, während gleichzeitig der Chef des Amtes für Wasserversorgung, Don Cipriano Slatter, diesen
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