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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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mutlos den Kopf sinken. Seine Haut schwitzte vor Fieber und Kälte. Er wollte sein Denken und Fühlen in eine andere Richtung lenken. Vergeblich. Der Wille war ein Haufen Schutt. Edle Sehnsüchte und aufrechte Interessen lagen in Trümmern. Das Bewußtsein der eigenen Unfähigkeit verletzte sich beim Gang durch diese Bruchstücke. Eine gemeine Bande von Gefühlen der Feigheit und des Scheiterns kroch zwischen den zerschlagenen Säulen der Stärke dahin, deren Schäfte noch die Attribute von Edelmut und Ehrgefühl zur Schau stellten. Und auf dem altertümlichen, von Geistern besuchten Marktplatz planten der Wankelmut, das Mißtrauen, die Willensschwäche und die Fahrlässigkeit den endgültigen Abriß. Er wollte sein Denken und Fühlen in eine andere Richtung lenken … Doch er konnte es nicht. Ein riesiger Uhu, Gebieter über die Landschaft, verschloß mit seinen Schwingen den Horizont.
    Das Auto raste bereits durch die Avenida Alvear. Er öffnete das Seitenfenster. Die Flußbrise durchlöcherte ihn mit tausend wohltuenden Nadelstichen. Eine vielfach kräftigende Injektion. Sie brachte die Krämpfe zur Ruhe; die sein melancholisches Panorama erschütterten. Und jenes schwache gallige Licht, in eine Furie aus Wind und Feuer verwandelt, immer stärker und überwältigender, schien seine Augen in einem Wirbelwind von innen nach außen zu tragen. Es waren da vier zögerliche Blütenblätter. Freiheit. Arbeit. Kultur. Liebe. Vier Blütenblätter einer Blume, die niemals mehr in seinem Wesen erblühen würde. Er seufzte. Und auch sie flogen davon.
    Op Oloop blieb ausgehöhlt zurück. Er erkannte die völlige Trostlosigkeit des Lebens. Alles was er an Gutem und Schlechtem, an Zukünftigem und Vergangenem besaß, war aus ihm herausgetreten: die Vortrefflichkeit des Egoismus, die pythagoreische Sinnenlust der Zahl und der Methode, das Gepränge der Kunst und der Laune, der Hochmut, der ihn mit Verzückung erfüllte und die tröstende Gnade der Laster. In dieser Hohlheit erfaßte er intuitiv seinen Zustand. Und mit der Anstrengung der letzten Hoffnung gelang es ihm, seine depressiven Verwirrungen zu besiegen und den Anschein von Ruhe und klarem Verstand wiederzuerlangen.
    »Halten Sie dort. Das zweite Gebäude auf der rechten Seite.«
    Als er in seiner Wohnung ankam, erwartete ihn der valet: »Señor, was ist los? Sind Sie krank? Wurden Sie verletzt? Die Polizei hat immer wieder nach Ihnen gefragt. Señor Van Saal war mehrmals da. Gerade eben, es wird keine zwei Minuten her sein, kam er mit zwei anderen Señores her. Kann ich Ihnen dienlich sein? Gebieten Sie, Señor.«
    Er reichte ihm Hut und Handschuhe.
    »Was? Habe ich etwas? Bemerken Sie etwas?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, Señor …«
    »Gut, dann gehen Sie schlafen. Ah! Einen Moment noch. Franziska … Hat Señorita Franziska Hoerée nach mir gefragt?«
    »Nein, Señor.«
    »Nein, Señor«, wiederholte er für sich, spöttisch, als bedeutete es eine unverzeihliche Abtrünnigkeit. »Nein, Señor … Was sollte sie auch anrufen? … Alle sind gleich … Keß … Sprunghaft … Sie kennen die Heroik der Liebe nicht … Was sollte sie auch anrufen?« Er durchquerte düster das Vestibül, verschloß die Tür hinter sich, die zum Arbeitszimmer führte. Und während er in ihm herumging, kehrte er zum Thema zurück: »Doch nein … Es ist nicht möglich … Franziska ist anders … Sie ist die tadellose Verlobte … Ihr Traumdiadem beleuchtet und schützt mich … Ihr aus Seufzern gestrickter Schleier wird niemals einen Verrat verhüllen … Nein, nein! … Franziska weiß um die Überlegenheit unserer Liebe gegenüber allem, was sich ihr entgegenstellen mag … Sie ist ein Opfer des Vaters geworden … Ein Opfer des Konsuls … Schonungslose Hyänen! … Arme Franzi! … Weil sie mir treu war … Ah, aber nein! … Sie werden nicht siegen! … Unsere Liebe hat die Klasse der höchsten Leidenschaft … Wir haben es weder nötig, in Begierde zu erglühen, noch uns im Besitz zu verbrennen … Wir haben ein eigenes Ambiente gefunden, in den blauen Gründen des Todes …«

05:15
    Es schlug die Viertelstunde. Die Schwingungen des Gongs nahmen seine Worte in ihrem Klang mit. Er blieb gedankenverloren stehen, als verfolge er die Schimäre.
    Danach, ohne zu wissen warum, lud die offene Tür ihn ein, sich auf den Balkon hinauszulehnen. Ihn packte ein fürchterliches Schwindelgefühl. Eine verzehrende Windhose aus makabren Gedanken umnebelte ihn. Von der Fahrbahndecke erhob sich eine
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