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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Autoren: Frank Schulz
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Störungen abgesehen, hatte er all die Monate – mal mehr, mal weniger gefaßt – darauf gewartet, daß Händchens Dim mak doch noch Wirkung zeitigen würde. Daß er, Onno, demnächst nicht mehr aufwachen würde oder plötzlich tot umfallen. Daran hatten auch keine eingehende Gesundheitsprüfung und entsprechende Gegendiagnosen der Ärzte etwas ändern können. Nicht einmal Edda, die ihn jedes Mal in den Arm nahm, wenn er in sich hineinhorchend dastand, die Fingerkuppen auf dem Schlüsselbein.
    Insofern stellte jener winterliche Montagabend einen Wendepunkt dar, hin zur Genesung. All die Monate hatten wir nur Einzel gespielt. Hatten nicht die geringste Lust, unsere Mannschaft anderweitig aufzustocken. Ohne Onno war der Montagabend einfach nicht das, was er gewesen war, und so, wie er gewesen war, da waren wir uns alle einig, wollten wir ihn wiederhaben.
    Auf Noppensocken, in Bermudashorts und einem Vogelscheuchentop betrat Onno die Halle, indem er ehrfürchtig zur hohen Decke hinaufschaute wie in einer Kirche. Wir spielten den ganzen Abend nur Doppel, und es waren vielleicht nicht die genialsten Ballwechsel unserer Vereinsgeschichte darunter, aber doch etliche außerordentliche, und so genossen wir in vollen Zügen die neidlose Freude, mit der wir einen gelungenen Schuß, perfiden Flip oder Hundertstelsekunden-Konter des Partners zu begrüßen vermochten, ebenso wie das heuchlerische Bedauern eigener Netz- oder Kantenbälle. Schließlich wechselten nach jedem Spiel die Koalitionen. Zudem war Ulli in Hochform: »MAAAAAaaa…! RA BAA BAAAaaa…!« usw. Wir feierten den Abend, wir feierten uns, und es machte uns alten Knochen einen kindischen, einen Mords-, ja Heidenspaß.
    In der Umkleide beklagte Onno schon jetzt den morgigen Muskelkater, und während Ulli und ich uns einen geradezu angespannten Blick zuwarfen, als er nach dem Duschen und Frottieren in frische Unterwäsche stieg, erwischte ihn , was dann kam, offenbar unvorbereitet. Offenbar war er §   8, Abs.   4 unserer Vereinssatzung nach so langer Zeit einfach nicht mehr gewärtig.
    Dröhnend vor Überkompensation hatte Raimund auf seinen ältesten Freund eingedonnert. »Was’ das denn! ’ne Windhose? Mein lieber Herr Gesangsverein«, etc. pp. ad lib. Um den üblichen En-passant-Charakter einzuhalten, hatte Raimund während des Lamentos weiterhin in seiner Tasche gekramt – und mußte daher mit einem Knuff darauf aufmerksam gemacht werden, daß Onno weinte.
    Er saß da in seiner frischen Windhose von Tchibo, hielt eine Hand in der anderen und weinte mit gebeugtem Nacken. Unter Gestammel hockte Raimund sich sofort neben ihn und legte ihm den Arm um die Schulter, aber Onno sagte, leicht gepreßt und stockend: »Ach Quatsch, öff öff, nech; is’ nur … is’ nur so schön … daß ich wieder da bin.«
    Woraufhin wir mit den markigsten Flüchen zu- und einstimmten.
    Schnorf gab Onno zu Ehren einen Schnaps aus, und Carinas Umarmung seiner unmaßgeblichen Person hatte mit einer professionell gastfreundlichen Begrüßung aber auch nicht das geringste mehr zu tun. »Geht gar nicht«, bölkte Raimund. »Wo sind wir denn hier! In der Showbar Hammonia ?«
    Nachdem wir ein Weilchen in unseren Lasagne-Näpfen herumgestochert hatten – der Käse war so zäh, daß Ulli eine »Heckenschere« verlangte –, versank Onno in eine Art von innerer Emigration. Raimund versuchte, ihn mit einer Queckenborn-Parodie aus der Reserve zu locken – vergeblich: Eine ganze Weile lang hielt er sich aus der Après-Pingpong-Konversation heraus.
    Nachdem er stattdessen mit einem schwachen, traurigen Grinsen in sich hineingehorcht hatte, belebte es sich schließlich doch noch, und Onno sagte: »Weißt du noch«, sagte er, ohne sich an jemanden zu wenden – war aber klar, daß er Raimund meinte –, »wie wir die Brüder Pipkow entlarvt haben?«
    Raimunds Spiegelneuronen befeuerten ein gleiches Grinsen. »Logisch.« Ohne sich seinerseits an jemanden zu wenden – war aber klar, daß EP und ich gemeint waren –, erzählte er. »Deren Eltern hatten da so ’ne Art offenen Fahrzeugschuppen – heute würde man wohl Carport sagen –, draußen, am Ernst-August-Kanal. Und eines Tages haben wir sie da beobachtet. Onno und ich. Der Club der hilfreichen Hand.«
    EP: »Der Club bitte was für einer Hand?«
    »Der hilfreichen. Wir haben die Brüder Pipkow da beobachtet, wie sie da im Schuppen rummachten, und das kam uns verdächtig vor. Verdacht auf Nikotin-Abusus.«
    »Hört,
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