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Onkel Schwein (German Edition)

Onkel Schwein (German Edition)

Titel: Onkel Schwein (German Edition)
Autoren: Frans Brood
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mit Kent passiert sein. Teever hatte an Lisa denken müssen, die ihm gesagt hatte, wie wichtig und befreiend es sein kann, zu reden.
    „So, als ob eine Last abgefallen war. Seine ganze Körperhaltung hatte sich verändert. Seine Mutter hatte ihm zugenickt und dann erzählte Kent, dass er, im Alter von 14 oder 15, zufällig über ein Tagebuch seiner Mutter gestolpert war, in dem sie die schrecklichen Erlebnisse ausführlich geschildert hatte. In allen Details und auch mit denen, die Kent hatte durchleben müssen.“
    Lisa schlug vor Entsetzen die Hände vor ihren Mund.
    „Der arme Junge. Hat denn seine Mutter jemals mit ihm darüber geredet? Hat er sie nie angesprochen?“
    Teever verneinte ihre Fragen. „Sie blieb stumm. Er hat das alles in sich hineingefressen und sich von den Eltern immer weiter entfernt.“
    „Aber warum hat Eva diesen Waldén nicht angezeigt?“ fragte sie. „Aus Scham?“
    Teever schüttelte den Kopf.
    „Das mag ein Grund gewesen sein. Viel …“
    „Weiß ihr Mann überhaupt von der Sache?“ unterbrach sie Teevers Satz.
    „Das ist ja das perfide. Dieser Waldén hat ihr gedroht, die Sache publik zu machen und es vor allem Lennart zu erzählen, wenn sie nicht den Mund hält. Er hatte sogar Fotos als Druckmittel. Und ein wenig Scham war wohl auch dabei. Sie hat sich nämlich zunächst freiwillig auf Waldén eingelassen und zu spät erkannt, was er vorhatte. Wie sagte sie: Ich konnte nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein. Sie trafen sich zum ersten Mal in einer Bar, als Lennart auf Geschäftsreise war. Er hat sie oft allein gelassen. Und Waldén hatte ein sicheres Gespür dafür, dass Eva ihre Ehe nicht wirklich gefährden wollte. Die Erkenntnis kam ihr selbst wie so oft erst nach dem Seitensprung: Der aufstrebende Geschäftsmann, der sich für eine behinderte Frau entschieden hatte. Sie glaubte nicht daran, erneut so eine Chance zu bekommen.“
    „Ist sie so berechnend?“ wollte Lisa wissen.
    „Früher vielleicht. Doch ich würde ihr das nicht vorwerfen. Es dürfte tatsächlich nicht so leicht für eine Frau mit einem Bein sein, die große Liebe zu finden. Oder Sicherheit. Selbst in Schweden hat die Toleranz ihre Grenzen.“
    „Was ich mich schon die ganze Zeit frage: Aber wie konnte Waldén Kent in seine Finger kriegen. Ich meine, man nimmt doch nicht sein Kind mit zum Schäferstündchen.“
    Teever nickte leicht.
    „Damals dachte sie, es wird mehr als eine Affäre. Und dazu kam, dass sie, unter Alkohol oder Tabletten, nicht ganz genau wusste, was sie tat oder auch nur ein paar Stunden wegdriftete.“
    „Das hat dieses Schwein dann ausgenutzt!“
    „Richtig.“
    „Und statt sich zu offenbaren, suchte sie die Erlösung in noch mehr Tabletten und noch mehr Alkohol?“
    „Sie hatte darin schon Erfahrung“, antwortete Teever mit bitterem Unterton. „Nach dem Verlust ihres Beines hatte sie starke Schmerzmittel bekommen.“
    „Wie war das eigentlich passiert?“
    „Sie fuhr mit dem Rad – ohne Licht – zum Training. Eiskunstlauf. Eva hatte wohl Talent, war mehrfache Meisterin in ihren Altersklassen. Ein angetrunkener Autofahrer hat sie nicht gesehen – bumm.“
    „Wie alt war sie da?“
    „Fünfzehn oder sechzehn.“
    Beide schwiegen einen Moment. Nur das Ticken einer alten Wanduhr war zu hören. Sie war ein Erbstück und zeigte nie die richtige Zeit an. Teever wusste auch nicht, warum er sie immer wieder mit einem goldenen Schlüssel aufzog. Vielleicht als Mahnung, dass man die Zeit nicht beeinflussen kann?
    „Und wann fand diese Vergewaltigung statt?“ nahm Lisa das Gespräch wieder auf.
    „Da war Kent ungefähr vier, also vor ungefähr siebzehn Jahren.“
    Lisa stand auf und ging in dem Zimmer auf und ab. Teever konnte förmlich körperlich spüren, wie sehr sie das Thema fesselte.
    „Und du hast damals auch nichts bemerkt?“ fragte sie ganz leise, fast vorsichtig.
    Doch Teever verstand ihre Frage, ohne sich angegriffen zu fühlen. Der Gedanke war naheliegend.
    „Im Nachhinein ist man immer schlauer. Damals habe ich gedacht, es hätte etwas mit dem Bein zu tun oder der Ehe oder was weiß ich.
    Dieser Missbrauch ist so ungeheuerlich, das konnte ich mir einfach nicht vorstellen.“
    Lisa nickte.
    „Wie aber kommt Eva nun ins Spiel? War es wirklich so, wie sie dir es zuerst erzählt hat? Warum diese späte Rache?“
    „Sie hat nicht nur aus Scham keine Anzeige gegen Waldén eingereicht, sondern weil sie nicht wusste, wer ihr und Kents Vergewaltiger war. Er hatte
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