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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder
Autoren: Kira Licht
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empfindet. So hieß die Großmutter ihres Vaters, die dieser wohl sehr verehrt haben muss. Anders konnte sich bis jetzt noch niemand erklären, warum man einem Neugeborenen im 20. Jahrhundert so einen Namen verpassen sollte. Bei uns heißt sie aber nur Trudi, seit sie sich in der ersten Oktoberwoche vor zwei Jahren bei Jule und mir so vorgestellt hat. Sie ist zwar etwas verpeilt und ziemlich hektisch, aber dafür schrecklich schlau und ein super Kumpel.
    Doch jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee. An der Uni hat man die Wahl zwischen trübem Automatengebräu und dem Frischgekochten aus der Cafeteria, der einem ziemliches Herzrasen beschert. Mit einem großen Becher frisch zubereiteten Cappuccinos spaziere ich ins Wohnzimmer.
    Ich bin nicht besonders ausgesucht eingerichtet, bei mir regiert die Gemütlichkeit. Die große Couch ist voller bunter Kissen, die meisten Möbel sind secondhand oder Schätze vom Sperrmüll. Lampen, Spiegel und Geschirr stammen von Flohmärkten. Ich mag Gebrauchsgegenstände mit Geschichte. Und ich liebe meine Bücher! Leute halten mich für einen Freak, weil ich Theaterstücke lese. Ich lese natürlich auch normale Sachen, aber Theaterstücke sind für mich etwas Besonderes. Und schaut man sich dann eine Inszenierung an, ist es um ein Vielfaches interessanter, als wenn man sich einfach nur vom Bühnenbild und den Schauspielern einwickeln lässt. Zuletzt habe ich die gesammelten Werke von Sarah Kane gelesen. Das schmale, ganz in Orange und Rot gehaltene Buch macht einen eher harmlosen Eindruck, ganz im Unterschied zu seinem Inhalt. Ich hatte schon von ihr gehört, aber die Brutalität in ihrem ganzen hässlichen Ausmaß schockierte mich dann doch. Trotzdem konnte ich nicht aufhören zu lesen. Dass sie sich 1999 erhängt hat, nachdem sie vorher mit Preisen überhäuft worden war, lässt mich vermuten, dass vieles, was sie so radikal verarbeitet hat, tatsächlich ihr Blick auf die Welt war. Und das macht eher traurig.
    Mein Blick fällt auf die Konzertkarte auf meiner Schreibtischunterlage. Sofort bekomme ich Herzklopfen. Vor Vorfreude, aber auch aus Angst. Ich weiß noch nicht, ob ich das packe. Konzerte sind eine wahre Herausforderung für mich, denn ich habe ein bisschen Platzangst. Aber ich muss da hin! Die Jungs sind Newcomer und ein Geheimtipp. Und ihr Drummer ist zum Sterben schön. Auf den wenigen Fotos, die im Internet kursieren, hat er den ultimativen Schlafzimmerblick, und ich finde ihn ziemlich heiß. Entdeckt habe ich ihn und die Band eher durch Zufall. Ich hatte mich »versurft«. So nenne ich es, wenn ich im Internet etwas suche, was ich natürlich nicht finde, dafür aber tausend Dinge entdecke, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. So auch diese Jungs. Sie haben sich bereits ganz erfolgreich durch diverse Uni-Clubs gespielt und äußerst wohlwollende Kritiken erhalten und demnächst spielen sie auch hier in der Stadt. Die Musik finde ich ganz gut, aber das Geld für die Karte habe ich ausgegeben, um den Schlagzeuger zu sehen. Und vielleicht abzuschleppen.
    Das mache ich jetzt schon seit einem halben Jahr so. Das Wort »abschleppen« mag ich eigentlich nicht, es klingt so abwertend. Es ist nicht so, dass ich seit Mark alle Männer hassen würde. Oder sie für Marks Fehler büßen ließe. Die Wahrheit ist viel egoistischer: Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren Single. Klar, lerne ich Männer kennen. Viele sind nett, viele sind süß und die meisten gar nicht so übel. Ich bin neugierig, ich möchte Spaß haben. Und ich möchte mich nicht festlegen. Ja, einerseits bin ich rastlos und anderseits unsicher. Etwas in mir sorgt dafür, dass keiner der Männer ein Hoheitsgebiet betritt, von dem ich gar nicht wusste, dass es existiert. Ich lasse sie neben mir laufen, doch kommt die nächste Kurve, habe ich sie schon vergessen.
    *
    Mark war mein erster fester Freund, und wir waren fast drei Jahre zusammen. Leider haben wir uns »auseinanderentwickelt«, diplomatisch ausgedrückt. Die Wahrheit ist, Mark hat erst sich und dann unsere Beziehung aufgegeben. Das trifft es wohl am besten. Wenn er wüsste, was ich zurzeit so treibe, würde er vermutlich samt Gitarre fassungslos von seinem Lieblingssessel kippen. Denn ich habe seit Mark mit so einigen Männern geschlafen.
    Ein Jahr nach der Trennung hatte ich zum ersten Mal wieder Lust auf einen Mann und musste mir eingestehen, dass ich nur wenig Plan hatte, wie man an einen herankommt. Vor allem wenn man nur das Eine will. Also nur
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