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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder
Autoren: Kira Licht
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entscheide mich für Variante zwei. Wer auf die Couch aufzupassen einer lustigen Studentensause vorzieht, ist entweder über sechzig oder nicht ganz normal im Kopf. Oder krank, aber das bin ich ja nicht.
    *
    Auf dem Vorplatz des Fakultätsgebäudes ist es brechend voll, und es ist noch nicht ganz 22 Uhr. Schatz und Jule warten auf mich neben dem Eingang.
    »Lilly!«, kreischt Jule und hängt sich mir an den Hals wie ein Klammeräffchen.
    »Jule!«, sage ich. »Lange nicht gesehen, Süße!«
    Jule kichert hysterisch und lässt mich einfach nicht los.
    »Was hast du ihr gegeben?«, frage ich Schatz.
    »Ich muss fahren«, brummt Tobias, als wenn das alles erklären würde. Jule verträgt auch nichts, wahrscheinlich hat sie vor der Abfahrt mal an einem Piccolo genippt. Ich löse ihre Arme von meinem Hals und nehme stattdessen ihre Hand.
    »Party, Party, Party!«, singt Jule und hüpft trotz ihrer Stöckelschuhe auf und ab.
    Nachdem wir jeder drei Euro für den Eintritt blechen mussten, stehen wir auf einer Balustrade, weil wir dort den besten Ausblick haben. Es sind erstaunlich viele gut aussehende Typen zugegen. Ich lasse meinen Blick genießerisch über die Menge schweifen. Vielleicht wird die Nacht ja doch ganz nett.
    Jule hat Schatz losgeschickt zum Getränkeholen. Sie ist echt schon ein wenig angetrunken, wie sie so neben mir steht, mit ihrem kleinen Hintern wippt und konsequent jedes Lied mitsingt. Ihre dunkelblonden Haare, einstmals zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, fallen in langen Strähnen um ihren Kopf. Sie ist auf natürliche Art so liebreizend, dass ich manchmal ein bisschen neidisch bin. Wenn sie sich schminkt, sieht sie zwar noch besser aus, aber nötig hätte sie es eigentlich nicht.
    Dann ist Tobias mit den Drinks zurück. Er hat sich ein Bier mitgebracht, Jule bekommt einen Sekt auf Eis, ich fange ganz harmlos mit einem Wasser an. Gemeinsam schauen wir auf die Tanzfläche eine Etage unter uns.
    »Wenn man dich im Dunkeln von hinten sieht, könnte man denken, da laufen nur rote Haare herum«, sagt Jule und kichert über ihren eigenen Witz.
    Na, danke schön!
    Tobias verdreht die Augen und wirft mir über Jules Kopf hinweg einen genervten Blick zu. Ich grinse gerade noch zurück, als Julia mir auf einmal »Da!« ins Ohr schreit. Dann zerrt sie an meinem Arm, als wolle sie mich wachrütteln.
    »Mensch Jule, jetzt reiß dich mal zusammen!« Ich reibe mir das schmerzende Ohr.
    »Guck mal, wer da ist«, sagt sie betont leise und zeigt mit Sektglas in der Hand Richtung Tanzfläche. Wir drei starren runter auf die vom Kunstnebel eingehüllte wogende Menge. Zuerst sehe ich gar nichts. Ein Pudding aus schwitzenden Körpern. Doch dann: Die Beleuchtung verändert sich, ein neues Lied, der Nebel hebt sich. Oho! Wenn er der ist, für den ich ihn halte, könnte der Abend tatsächlich noch deutlich interessanter werden, als zunächst angenommen.
    »Ist das Timo?«
    »Ja!«, kichert Jule. Schatz guckt, als wüsste er unsere plötzliche Begeisterung nicht ganz einzuordnen.
    Ich werfe einen weiteren Blick übers Geländer. Oh, er sieht gut aus! Und dann dieses ärmellose Ringelshirt! Erwähnte ich bereits, dass ich für Ringel sterbe? Der Typ ist einfach ein verdammt ansehnliches Gesamtpaket. Er ist in unserem Semester, und seit Beginn unseres Studiums hat er bestimmt schon eine Menge Mädels nervös gemacht. Außerdem kommt er immer mit dem Fahrrad. Seine halsbrecherische Fahrweise ist quasi sein Markenzeichen. 190 cm Körpergröße, dunkelblonde Haare, breite Schwimmerschultern und entzückend stramme Waden runden den Augenschmaus ab. Er ist ein wenig exaltiert, kommt auch schon mal barfuß oder mit Kopftuch zur Uni. Rhetorisch ist er wohl nicht der Allergrößte, was im krassen Gegensatz zu seinen akademischen Leistungen steht. Seine Klausuren sind immer unter den besten. Mich betrachtet er mit einer Art distanzierter Neugier, was wohl an den roten Haaren und den ewig schwarzen Klamotten liegt. Ansonsten meidet er mich weitestgehend, freundlich ausgedrückt. Da er allerdings auch kein Interesse an anderen Mädels zeigte, hatten Jule und ich zunächst auf »feste Freundin« getippt. Doch Fehlanzeige, wie Jule dank gezielter Recherche herausfand.
    Unter einem Vorwand sprach ich ihn letztes Semester in einem Seminar an. Er wurde knallrot. Das sah ein bisschen blöd aus bei so einem Bild von Kerl. Zum Dank fuhr er mich am nächsten Morgen mit seinem Fahrrad fast um.
    Wieder löst sich die Nebelwolke langsam auf. Mein
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