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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf
Autoren: Janne Mommsen
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frühstückte.
    «Kommt, wir ziehen ab, das ist mir zu langweilig», sagte Imke.
    Die anderen waren einverstanden.
     
    Am Nachmittag saß Petersen im wunderschönen Café Valentino am Sandwall: erste Reihe, vor sich der Strand, dahinter der freie Blick aufs Wattenmeer und die Hallig Langeneß. Es war Ebbe, und statt des Wassers bevölkerten Hunderte Urlauber den Sand. Erst hatte Petersen ausgiebig Zeitung gelesen, dann war er mit einer alleinstehenden, dunkelhaarigen Touristin ins Gespräch gekommen.
    «Diesmal liegt er mit dem Alter wieder einigermaßen gleichauf», bemerkte Ocke, als sie sich etwas entfernt in ihrer Trauerkleidung auf die Promenade stellten. Imke nahm auf dem Klappstuhl Platz.
    «Was Frauen anbelangt, scheint er vollkommen wahllos zu sein», stellte Christa leicht beleidigt fest.
    «Sagen wir, er ist flexibel», korrigierte sie Imke.
    «Meinst du, er wird weich?», fragte Ocke.
    «Er ist auf jeden Fall nicht so stark, wie er aussieht.»
    Plötzlich stand Petersen vor ihnen: «Sehr witzig.»
    Die drei schauten durch ihn hindurch.
    «Wir sind Rentner und haben unendlich viel Zeit», sagte Ocke mit Blick zum Horizont.
    Petersen ging wieder zu seinem Tisch, an dem seine Neueroberung wartete, und fühlte sich sichtlich unwohl. Christa ging zu ihm, legte ihm wortlos Briefpapier und einen Kugelschreiber neben seinen Cocktail, dann machten sie sich davon. Sie wollten unbedingt bei Rita in der Altstadt ein Eis essen.
     
    Als sie zum Café Valentino zurückkamen, war Petersen verschwunden. Ocke ging nach drinnen zur Bar, wo ein sympathischer Kellner mit Elvistolle gerade ein paar Gläser polierte.
    «Moin, wat kann ick für Sie tun?», fragte der Barkeeper mit Berliner Akzent.
    «Moin. Ist bei Ihnen zufällig ein Brief für mich abgegeben worden?»
    «Wie heißense denn?»
    «Ocke Hansen.»
    Der Kellner nickte und zog einen Umschlag aus der Schublade: «Wohngemeinschaft Ocke Hansen aus Dunsum?»
    «Genau.»
    «Bitte sehr.»
    Ocke nahm den Umschlag an sich und riss ihn auf. Unglaublich, Petersen hatte tatsächlich unterschrieben! Die Kündigung war vom Tisch!
    «Drei Kir Royal bitte», sagte er und winkte Christa und Imke zu sich an die Bar.
    Nach dem Drink ließen sie sich von einem Kollegen Ockes zurück in ihr Haus nach Dunsum fahren. Imke wollte nach dem anstrengenden Tag und dem Kir Royal sofort ins Bett. Sie war so müde, dass sie sogar auf ihr duplo verzichtete, das Christa ihr bereitgelegt hatte, und schlief auf der Stelle ein.
    Ocke und Christa schlenderten zusammen auf den Deich. Es war jene sommerliche Abendzeit, an der der Sonnenuntergang noch ungefähr eine Stunde bevorstand. Vor ihnen breitete sich das Wattenmeer mit den Inseln Sylt und Amrum aus, wie ein verlässlicher Freund, der stets für sie da war. Ocke hatte sich vorgenommen, mit Christa noch etwas ins Watt zu gehen, auf Imkes Spuren sozusagen. Aber bevor er das tat, musste er einfach wissen, wo er bei Christa stand. War es jetzt Zeit, aufs Ganze zu gehen? Und wenn ja, wie könnte das aussehen?
    «Die Zeichen einer Frau sind oft schwer zu deuten, sie können immer Liebe und Abweisung gleichzeitig bedeuten», hatte Kohfahl ihm bei ihrem Treffen gesagt. «Es liegt allein an Ihnen, was Sie glauben.»
    Ja, was denn nun? Das half Ocke nicht weiter.
    Christa war braun geworden in den letzten Tagen, sie hatte sich ein weißes T-Shirt und die sandfarbene Leinenhose angezogen, die ihr Maria zum letzten Geburtstag geschneidert hatte. Ocke hatte Tausende von schönen Sonnenuntergängen zu allen Jahreszeiten gesehen, aber dieser war anders. Wenn Christa «nein» sagte, fiel er genau an den Punkt zurück, an dem Imke ihn zum Therapeuten geschleppt hatte, und er würde sofort von der Insel fliehen.
    Egal, jetzt musste es passieren.
    Alles war besser als dieses ewige flaue Gefühl der Unsicherheit. Er würde nicht ohne eine Antwort in das WG -Haus zurückkehren. Also legte er sich die Worte im Kopf zurecht: «Christa, wir sind uns ja in letzter Zeit um einiges näher gekommen …»
    War das gut?
    Nein, zu gestelzt.
    Er war wirklich kein Mann des Wortes.
    «Weißt du, Christa, ich finde es richtig schön mit dir. Wollte ich nur mal so sagen.»
    Erbärmlich.
    Was leider gar nicht ging, war einfach die Wahrheit auszusprechen: «Ich liebe dich, Christa.»
    Als er noch dabei war, nach den richtigen Worten zu suchen, meldete sich Christa zu Wort, wofür er ihr dankbar war. «Jetzt, wo das hier geregelt ist, werde ich erst einmal weggehen», kündigte sie
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