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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf
Autoren: Janne Mommsen
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    Die handgemalten Thesen erlebten den Übergang von der Nacht zum Morgengrauen, lagen zwischenzeitlich im neutralen Licht grauer Wolken, um ab acht Uhr direkt von der Sonne beschienen zu werden.
    Was gar nicht geht:
    Nach jedem Duschen bleiben Schamhaare im Abfluss!
Versucht ihr, Pilze in gebrauchten Kaffeebechern zu züchten, die ihr auf dem Dachboden lagert?
Holzbrettchen bekommen Risse, wenn sie nass werden. Sie haben nichts in der Spülmaschine zu suchen!
Meine Zeichenstifte verleihe ich gerne – wenn man mich fragt!
    Obwohl er so spät ins Bett gegangen war, wachte Ocke am nächsten Morgen viel früher als sonst in seiner Koje auf. Missmutig sah er in den sonnig blauen Himmel, am weißen Fahnenmast im Garten kräuselte sich der Wimpel mit den friesischen Farben Gelb-Rot-Blau im auffrischenden Wind. Schlechtwetter hätte ihm besser gepasst. Das alte Backsteinhaus aus dem 19 . Jahrhundert wurde beidseitig von riesigen Büschen geschützt, vorne wuchs eine hohe Hecke, und auf der Rückseite schaute man auf eine Weide, hinter der sich in sattem Grün die flache Marsch erstreckte. Im Haus befanden sich vier Zimmer, Küche und Abstellräume. Das Reetdach war leider schon in den zwanziger Jahren durch feste Ziegel ersetzt worden, die weißen Sprossenfenster waren aber immer noch aus altem Holz.
    Ocke wusste, dass das gemeinsame Frühstück heute anders verlaufen würde als sonst. Draußen auf dem Flur vernahm er bereits Christas Schritte. Nicht nur, dass er sie von Imkes unterscheiden konnte, er hörte auch, ob sie Strümpfe trug oder barfuß lief, und an der Art, wie sie auftrat, spürte er, ob es ihr gut ging oder nur mäßig. Heute war ihre Laune offensichtlich prächtig, was mit Sicherheit dem Herrenbesuch der letzten Nacht zuzuschreiben war. Aber wenn sie erst das Plakat erblickte, würde ihre Laune schnell auf Grund laufen.
    Sein Mund wurde trocken.
    Gleich würde Christa an seiner Tür klopfen und ihn zur Rede stellen. Bevor das geschah, sollte er sich lieber sturmsicher machen. Also raus aus der Koje und ab zur Tür. Behutsam drückte er die Klinke runter und linste auf den schattigen Flur.
    Alles frei.
    In Rekordgeschwindigkeit huschte er ins gegenüberliegende Bad und schloss ab. Das hatte ihn fast so außer Atem gebracht wie ein Viertelmarathon. Er holte den Trockenrasierer aus dem Wandschrank und begann behutsam, seinen graumelierten Bart zu stutzen. Anschließend ließ er sich unter der Dusche abwechselnd heißes und kaltes Wasser über Kopf und Nacken laufen und trocknete sich sorgfältig ab. Im Ganzkörperspiegel, den Christa in die WG mitgebracht hatte, sah sein Körper gut aus. Seine Haut war gebräunt, er war noch schlank, wenn auch nicht gertenschlank, sein Haar voll und grau. Für siebenundsechzig war er noch gut beieinander, fand er, einer, der sich in Form hielt und dennoch nicht auf Genuss verzichtete.
    Zurück in seinem Zimmer, entschied er sich bewusst gegen seine Berufskleidung, Jeans und blaues Fischerhemd mit rotem Tuch um den Hals. Als Taxifahrer entsprach er sonst gerne dem Bild, das Touristen von einem Einheimischen hatten. Aber heute kramte er aus dem Schrank das graue Designerhemd und die helle Hose hervor. Beides hatte er vor einem halben Jahr in Flensburg gekauft, aber noch nie getragen.
    Der Ganzkörperspiegel signalisierte ihm, dass alles so saß, wie es sollte.
    Plötzlich fiel ihm siedend heiß ein, dass er einen kapitalen Fehler begangen hatte. Schon beim Einzug hatte er seine Mitbewohnerinnen darum gebeten, nach jedem Duschen die Kacheln mit einem Lederlappen trocken zu wischen und die Haare aus dem Abfluss zu entfernen. Ordnung an Bord war überlebenswichtig! Die beiden hatten sich sofort einverstanden erklärt, hielten sich aber nur jedes dritte Mal daran.
    Nun hatte er es selbst vergessen. Schnell schlüpfte er ins Bad zurück und begann mit dem Lederlappen die Kacheln zu wienern. Blöderweise landete dabei von der Dusche ein Tropfen auf seinem grauen Designerhemd und vergrößerte sich sofort auf das Dreifache. Ocke war das egal, denn was er gerade entdeckte, ließ seine Halsschlagader heftig anschwellen: Im Abfluss befanden sich schwarze Haare!
    Christa war blond, Imke blond gefärbt, er selbst grau.
    Mit anderen Worten: Diese Haare mussten von Christas Lover stammen, oder, schlimmer noch, von dessen Köter. Ekliger ging es nicht.
    Ocke sah sich um.
    Auf einem Badezimmerschränkchen lag eine durchsichtige Plastiktasche mit ein paar Cremetuben. Er schüttete die
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