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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf
Autoren: Janne Mommsen
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Arm um Imkes Schultern.
    «Im Pyjama, wie romantisch», lächelte Christa entzückt. «Ich hab euch gar nicht weggehen gehört.»
    «Wir waren ganz leise, weil wir dich nicht wecken wollten», log Ocke, was Imke albern fand. Christa musste klar sein, dass sie ihren Gast wegfahren gesehen hatten, was sollte diese Geheimnistuerei? Christa überging die Bemerkung und wandte sich neugierig an Imke.
    «Was hast du da für einen braunen Fleck auf dem Pyjama?», fragte sie.
    Imke fiel ein, dass sie ihr duplo hastig unter der Decke versteckt hatte, als Ocke plötzlich im Raum gestanden hatte. Dort war es anscheinend ziemlich schnell geschmolzen.
     
    Als sie wieder in ihrem Zimmer war, fand sie die Überreste des Schokoriegels auf dem frisch bezogenen Laken. Sie legte ihn auf das Nachtschränkchen und huschte unter die Decke, die in der Zwischenzeit ziemlich kühl geworden war. Bibbernd wartete sie, bis ihr Körper warm wurde. Sie war hellwach und blieb es den Großteil der Nacht.

[zur Inhaltsübersicht]
    2. Frühstück mit Beweismitteln
    Nachdem Imkes Wohnung am Sandwall vor einem Jahr beinahe abgebrannt wäre, weil sie den Herd angelassen hatte, hatte Ocke ihr selbst vorgeschlagen, bei ihm einzuziehen. Er fand das selbstverständlich, denn es war klar, dass seine gute alte Freundin nicht mehr allein wohnen konnte, und außerdem hatte er genug Platz. Christa kam mehr oder weniger spontan mit. Sie war Imkes beste Freundin und nach dem Vorfall ganz offiziell zu ihrer Pflegerin ernannt worden. Sie bekam es hin, Imke bei Dingen zu helfen, die ihr schwerfielen, und ihr ansonsten alle Freiheiten zu lassen. Ocke unterstützte sie gerne dabei. Zugegeben, er hatte dabei auch ein bisschen aufs Geld geschielt – allein vier Zimmer zu bewohnen, war auf Dauer einfach zu teuer geworden.
    Doch seit gestern Abend war für Ocke in der WG nichts mehr so wie vorher. Die halbe Nacht tigerte er in seinem Zimmer, das so eingerichtet war wie die Kapitänskajüte auf einem Handelsschiff, auf und ab. In seiner Zeit als Seemann hatte er es vom Maschinenraum aus nicht bis zum Schiffsführer gebracht und deshalb an Bord in schmucklosen Kajüten wohnen müssen. Aber das war alles ein paar Jahre her, er war nun Taxifahrer und wollte auf nichts mehr verzichten. Also hingen an der mit Teak ausgeschlagenen Wand ein Poster des Segelschulschiffs Gorch Fock und eine Wetterstation aus Messing. Ein Sekretär und zwei riesige Ledersessel standen im Raum, darüber hinaus gab es einen riesigen Flachbildschirm mit Soundsystem. Am liebsten sah er sich DVD s an, die er auf seinen Fahrten aufgenommen hatte: das Meer in allen Farben, vom Atlantik bis zur Südsee. Dazu hörte er seine Lieblingsmusik, das Meeresrauschen. Jahrzehntelang hatte er in engen Kojen geschlafen, deswegen hatte er sich in seinem Zimmer einen Bettschrank mit Seitenwänden und tiefer Decke gebaut, nur ohne Türen. Auf die Enge an Bord konnte er nicht ganz verzichten, so gelang ihm das Einschlafen immer noch am besten. Am liebsten wäre ihm gewesen, das Haus hätte auch geschaukelt, aber man konnte nicht alles haben.
    Ocke war außer sich. Nach einem Jahr in der WG hatte sich so einiges bei ihm angestaut, was dringend raus musste. Seine Mitbewohnerinnen konnten einfach keine Ordnung halten, außerdem hatte er es satt, ständig übergangen zu werden. Dass Christa nachts Herrenbesuch empfing, ohne ihn zu informieren, setzte dem Ganzen die Krone auf. An Bord eines Schiffes wurde gemacht, was der Kapitän befahl, basta.
    Kurz entschlossen riss er das große Poster mit der Gorch Fock von der Wand. Der Viermaster hatte Föhr im Sommer 1985 für ein paar Tage besucht, was Tausende von Schaulustigen angezogen hatte. Das Poster hatte ihm der damalige Kapitän des Segelschulschiffes höchstpersönlich geschenkt, er war gebürtiger Föhrer und ein guter Kumpel von Ocke. Aber das war längst Geschichte.
    Ocke legte das Poster mit der Rückseite nach oben auf den Laminatboden. Wenn er seine Thesen schwarz auf weiß hier drauf malte, hatte das etwas Unausweichliches. Also schrieb er mit Edding in großen Blockbuchstaben seine Beschwerden zur aktuellen Lage auf. Anschließend las er sich den Text noch einmal durch und grunzte zufrieden: Ja, so war es richtig.
    So leise wie möglich schlich er in den Flur, schleifte Christas Staffelei – sie war eine leidenschaftliche Malerin – vom Gemeinschaftszimmer in die Küche und befestigte das Plakat daran. So würden Christa und Imke es morgen noch vor dem Frühstück
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