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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf
Autoren: Janne Mommsen
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viel rumgekommen in meinem Leben», sagte er, «aber so einen heftigen Rumtopf habe ich noch nie getrunken. Mannomann, ist der stark!»
    «Der wird ja noch mit Weißwein verdünnt», beruhigte ihn Imke.
    «Na, dann …», lachte Christa.
    «Ich habe noch einige Gläser davon im Keller, die müssen dringend weg.»
    «Wir sollten das Gemeinschaftszimmer ausräumen», sagte Christa. «Irgendwo müssen wir ja tanzen, oder was meinst du, Imke?»
    «Absolut! Das soll auf keinen Fall eine Alte-Leute-Party werden, immerhin werde ich erst achtundsiebzig. Ocke, was ist mit Musik? Baust du deine Anlage auf?» Sie war offenbar fertig mit Frühstücken und hatte sich bereits erhoben.
    «Ayaye, Sir», sagte er. «Aber für den Garten muss Arne seine Boxen mitbringen.»
    Das hatte Ocke mit Imkes ältestem Sohn schon besprochen, Arne würde singen, und er würde ihn an der Gitarre begleiten.
    «Ich komme gleich wieder.» Imke erhob sich und verschwand im Haus.
    Sobald Imke weg war, rückte Christa ganz nahe an Ocke heran und nahm seine Hand. Und obwohl Ocke eigentlich sauer auf sie sein sollte, merkte er, dass er schwach wurde.
    «Ich muss dir etwas beichten», flüsterte sie geknickt. «Du hast es wahrscheinlich schon mitbekommen, oder?»
    Ocke schluckte, jetzt kam es also. Er wurde ganz nervös. Aber nein, er würde sich nicht bestechen lassen. Vorsorglich fasste er sich an die Hosentasche, um die Tüte mit den Haaren blitzschnell herausziehen zu können.
    «Ja?»
    «Ich bin ja nun mal Imkes Pflegerin, ich hätte einfach besser aufpassen müssen.»
    Christa war ganz offiziell zuständig für alles, was Imke nicht mehr konnte. An manchen Tagen war es das Anziehen, aber das kam selten vor, es ging eher um Dinge wie Herdplatte ausschalten und Zimmer aufräumen.
    «Was ist denn passiert?»
    Christa rückte noch näher.
    «Imke hat in deinem Zimmer das Foto mit der Gorch Fock abgerissen und hinten etwas draufgekritzelt. Sie hat das Bild auf die Staffelei gestellt und in der Haushaltskammer versteckt.»
    Ocke machte der Hautkontakt mit Christas Hand ganz unruhig, er winkte lässig ab: «Wenn’s nur das ist …»
    «Ab jetzt werde ich sie besser im Blick behalten, da kannst du dich drauf verlassen.»
    Einen Moment überlegte er noch, ob er das Poster holen und ihr die Rückseite präsentieren sollte. Aber irgendwie hatte er den richtigen Zeitpunkt verpasst. Christa hatte ihn wieder mal völlig aus dem Konzept gebracht. Imkes Geburtstagsfeier, so viel stand fest, würde eine Tortur für ihn werden – und zwar nicht wegen des Cholesterins …

[zur Inhaltsübersicht]
    3. Flucht übers offene Meer
    «Also, meine Lieben», sagte Christa, als Imke wieder da war, «wir kriegen morgen eine Menge Besuch, und es sieht überall aus wie Sau. Wir brauchen eine Putzaktion, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat!»
    Imke schaute sie missmutig an, Hausarbeit war noch nie ihre Sache gewesen. Als Mutter von vier Kindern hatte sie sich diesbezüglich immer irgendwie durchgemogelt, aber nie Ehrgeiz entwickelt. Die einzige Ausnahme war das Kochen, was schon als Jugendliche ihr Hobby gewesen war. Christa und Ocke erwarteten jetzt sicherlich keine Höchstleistung von ihr, sie sollte lediglich die Pflanzen im Gemeinschaftszimmer abstauben, aber selbst das war ihr zu viel. Morgen würden um die hundert Gäste kommen und ohnehin alles wieder einsauen, dafür wollte sie nicht ihre Kräfte verschwenden. Also erklärte sie Christa und Ocke, dass sie noch ganz dringend etwas frische Luft auf dem Deich schnuppern müsse, um fit zu werden. Die beiden ahnten wohl, dass sie sich drücken wollte, sagten aber nichts.
     
    Der Wind hatte etwas nachgelassen, die Sicht war klar. Langsam schlenderte Imke in Richtung Deich, den viele Menschen zum natürlichen Landschaftsbild der Insel Föhr zählten, obwohl er ja ein künstlich aufgeschüttetes Bollwerk war. Schon nach den ersten Schritten war sie, trotz ihres bedächtigen Tempos, aus der Puste. Der Deich baute sich vor ihr auf wie ein alpines Bergmassiv – lächerlich! Das war mal ganz anders gewesen, erinnerte sie sich. 1972 , als es in Deutschland die sogenannte Trimm-Dich-Aktion gegeben hatte, die die Leute dazu bringen sollte, mehr Sport zu treiben, war auch im Kurpark ein Trimm-Dich-Pfad installiert worden. Imke hatte als Erste den Parcours mit Klimmzügen und Bauchmuskelübungen in einem dunkelblauen Polyacryl-Trainingsanzug absolviert. Der
Wyker Bote
hatte sogar ein Foto von ihr auf Seite eins gebracht. Seitdem
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