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Olympos

Titel: Olympos
Autoren: Dan Simmons
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möchte gern Hallo sagen.«
    »Er ist auf der Veranda und bereitet sich auf die Märche n stunde vor.«
    »Ah, die Märchenstunde.« Harman drehte sich um und wollte zu der Mulde in der südlichen Wiese gehen, wo die Märche n stunde normalerweise stattfand, aber Ada packte ihn am Arm.
    »Harman … «
    Er sah sie an.
    »Mahnmut ist vor einer Weile gekommen. Er sagt, Moira komme vielleicht auch zu der Aufführung heute Abend.«
    Er nahm ihre Hand. »Na ja, das ist doch gut … oder?«
    Ada nickte. »Aber wenn Prospero hier ist, und Moira, und du hast gesagt, du hättest Ariel eingeladen, obwohl er die Rolle nicht spielen wollte … was ist, wenn Caliban kommt?«
    »Der ist nicht eingeladen«, sagte Harman.
    Sie drückte seine Hand, um ihm zu zeigen, dass sie es ernst meinte.
    Harman deutete auf die Stätten in der Umgebung des The a ters, den mit Pergolen abgeteilten Biergarten und das Haus, wo die Wachen mit ihren Energiegewehren postiert sein würden.
    »Aber die Kinder werden bei der Aufführung sein«, sagte Ada. »Die Leute aus der Stadt … «
    Harman nickte. Er hielt immer noch ihre Hand. »Caliban kann jederzeit hierher qten, wenn er will, meine Liebe. Bisher hat er es noch nicht getan.«
    Sie nickte leicht, ließ seine Hand jedoch nicht los.
    Harman küsste sie. »Elian hat fünf Wochen lang für seinen Auftritt als Caliban geprobt«, sagte er. »Fürchte dich nicht; die Insel ist voll Tönen, Klängen und süßen Weisen, die erfreuen und keinen Schaden tun.«
    »Ich wünschte, das wäre immer so«, sagte Ada.
    »Ich auch, mein Schatz. Aber wir wissen beide – du noch be s ser als ich –, dass es nicht so ist. Wollen wir John bei der Mä r chenstunde zusehen?«
     
    Orphu von Io war noch immer blind, aber die Eltern hatten keine Angst, dass er gegen etwas prallen oder mit jemandem zusammenstoßen könnte, selbst wenn sich die acht oder neun mutigsten Kinder von Ardis auf seiner riesigen Schale drän g ten; sie kletterten barfuss hinauf, um dort oben einen Platz zu finden. Für die Kinder war es mittlerweile Tradition, auf Orphu zur Märchenstunde in der Mulde zu reiten. John, mit etwas über sieben Jahren einer der ältesten, saß am höchsten Punkt di e ser Schale.
    Der riesige Moravec bewegte sich auf seinen lautlosen Repe l lern langsam, beinahe feierlich voran – bis auf das wilde Gek i cher der Kinder, die auf ihm ritten, und das Geschrei der and e ren Kinder, die hinterherliefen –, trug sie von der Veranda an der alten Ulme vorbei zu der Mulde zwischen den Büschen und den neuen Häusern.
    In der flachen Senke, die auf magische Weise außer Sichtweite der Häuser und der Erwachsenen war – mit Ausnahme einiger zuschauender Eltern –, stiegen die Kinder herunter und mac h ten es sich auf der Böschung der grasbewachsenen Schüssel bequem. John saß, wie meistens, direkt neben Orphu. Er scha u te sich um, sah seinen Vater und winkte ihm zu, kam jedoch nicht herüber, um Hallo zu sagen. Die Geschichte ging vor.
    Harman, der immer noch mit Ada dastand – Sarah schnarchte jetzt in seinen Armen, nachdem Ada fast der Arm eingeschlafen war –, sah Mahnmut in der Nähe der Hecke stehen. Harman nickte ihm zu, aber die Aufmerksamkeit des kleinen Moravecs war auf seinen alten Freund und die Kinder gerichtet.
    »Erzähl noch mal die Gilgamesch-Geschichte«, rief einer der mutigeren Sechsjährigen.
    Das riesige Krebsmonster bewegte seinen Panzer langsam hin und her, als schüttelte es den Kopf. »Diese Geschichte ist fürs Erste beendet«, rumpelte Orphu. »Heute fangen wir mit einer neuen an.«
    Die Kinder jubelten.
    »Es wird lange dauern, sie zu erzählen«, sagte Orphu. Seine rumpelnde Stimme klang selbst für Harman beruhigend und einnehmend.
    Die Kinder jubelten erneut. Zwei der Jungs purzelten und rollten gemeinsam den kleinen Hang hinunter.
    »Hört gut zu«, sagte Orphu. Einer seiner langen, gegliederten Manipulatoren hatte die Jungen behutsam getrennt und sie sanft auf den Hang gesetzt, ein kleines Stück voneinander en t fernt. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf die drö h nende, hypnotisierende Stimme des großen Moravecs.
     
    »Zorn – Göttin, singe nun des Peleussohnes Achilles
    unheilbringenden Zorn, jenen Zorn, der tausend Leid
    den Achäern schuf, der so viele stattliche Seelen
    der Heroen in den dunklen Hades hinabstieß, ihre Körper jedoch den Hunden und Vögeln zur Beute machte,
    selbst als Zeus Ratschluss in Erfüllung gegangen war.
    Beginne damit, o Muse, wie beide zuerst
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