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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)
Autoren: Jowi Schmitz
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Lachen, und das jüngere Kind rannte weg, während sie ihm alle zusammen lauthals immer wieder »Rosa Hose! Rosa Hose!« hinterherriefen. Auf diese Weise hatten sie schon fast der ganzen Schule einen Spitznamen verpasst.
    Gestern hatte Milena sich mir zugewandt, zuckersüß gelächelt und gesagt: »Tolle Zipfel!« Sie sprach von meiner Glücksjacke, an der ein paar coole Fransen hingen. Die stammten noch aus der Zeit, als ich Cowboy werden wollte, vor einem Jahr oder so. Da hat meine Mutter mir die Fransen als Überraschung angenäht, und seither trage ich die Jacke jeden Tag.
    Milena fuhr fort: »Wirklich eine tolle Jacke. Diese Zipfel erinnern nur irgendwie an ein Viech, das so einen Schwanz hat. Wie heißt es noch gleich? Ein bisschen dick, ein bisschen struppig?«
    »Ratte! Ratte!« Ihre Freundinnen lachten sich kaputt.
    Ich sah Milena an. Meine Jacke gehörte mir, die ging sie gar nichts an. Am liebsten hätte ich ihr den Kopf abgerissen. Das muss sie gemerkt haben, denn sie starrte zurück. Ein Glotz-Wettbewerb begann. Ich sah nicht weg. Eher wäre ich auf der Stelle tot umgefallen. Milenas Freundinnen lachten und kicherten und riefen »Ratte, Ratte«, doch Milena sagte nichts und guckte mich nur mit einem stinkfreundlichen Lächeln an.
    Dann läutete es, und alle außer Milena und mir und ihren Freundinnen gingen ins Klassenzimmer. Die Freundinnen wurden nervös. »Komm schon, Milena, wir müssen los. Lass sie. Lass die Ratte.«
    Zu guter Letzt riss Milena sich los. »Ihr habt recht. Das Mistviech.« Kichernd gingen sie ins Schulhaus.
    Nun standen wir also einen Tag später nach dem Unterricht vor der Schule. Für einen Außenstehenden sahen wir sicher aus wie vier ganz normale Mädchen, vielleicht sogar Freundinnen.
    Ich blickte zu Boden. Ratte. Immerhin besser als »Olivien Bolivien« oder »Olle Bolle«.
    »Die Ratte hat einen Knoten in der Zunge!« Die Mädchen lachten über Milenas Witz, Milena selbst am lautesten von allen. Ich suchte fieberhaft nach einer guten Antwort.
    Mir fiel keine ein.
    »Kommt!« Milena ging los, die Blondschöpfe folgten ihr.
    »So, so, du hast mich also im Abwasserkanal gefunden? Und was hast du da gemacht, Kunstschwimmen etwa?«, murmelte ich, als sie längst verschwunden waren. Weit weg hörte ich sie lachen. Wahrscheinlich über mich.
    Ich machte mich auf den Weg. Milenas Freundinnen warteten auf sie, wenn sie nachsitzen musste. Solche Freundinnen wollte ich auch.
    Aufeinander warten – das war echte Freundschaft.
     
    »Man könnte meinen, du bist schon in der Oberstufe«, sagte mein Vater, als ich ihm die Liste mit meinen Hausaufgaben zeigte. Die Geschichte von Milena und ihren Freundinnen verschwieg ich ihm. Wenn er gewusst hätte, dass sie mich »Ratte« nannten, hätte er vor lauter Weinen garantiert nicht mehr arbeiten können.
    »So viele Hausaufgaben«, schimpfte mein Vater weiter, »kann ein Kind denn nicht einfach nur Kind sein?«
    Ich nickte eifrig. Einfach nur Kind sein – das wäre doch mal was.
    »Hast du schon Freunde gefunden?« Die Schere meines Vaters ging in hohem Tempo auf und zu, und ich wunderte mich, dass er die Ohren des Bäckers nicht erwischte, obwohl sie ziemlich groß waren.
    Im Spiegel streckte ich mir die Zunge heraus. Sascha war mir keine Hilfe. Der rannte in der Pause immer gleich aus dem Klassenzimmer. Keine Ahnung wohin.
    Mein Vater hörte auf zu schneiden, um ein paar Haare zusammenzufegen. Er hob das Kinn des Bäckers an. Musa war sein Name, und er redete immerzu über Geld oder über seinen Schnauzbart. Jedes Härchen müsse perfekt sitzen, fand er, und mein Vater war natürlich ganz seiner Meinung. Rasieren und Haare schneiden war eine ernste Angelegenheit für Musa. Jetzt auch wieder: Er sah starr in den Spiegel. Seine Ohren waren wirklich außerordentlich groß. Ich suchte mit den Augen nach Narben von versehentlich ausgerutschten Friseurscheren, doch von meinem Platz aus konnte ich nichts erkennen. Vielleicht hinter den Ohren, diesen großen Lappen? Am liebsten hätte ich sie mir geschnappt und gründlich aus der Nähe betrachtet.
    »Was geht dir alles durch den Kopf, junge Dame?«, fragte mein Vater. Er war bei den Koteletten angekommen.
    »Ein Schulsklave bin ich, keine junge Dame.«
    Grinsend klopfte er mir auf die Schulter. »Und jetzt raus mit dir. Ich bin fast fertig, danach machen wir es uns an Deck gemütlich.«
    »Von wegen gemütlich, an Deck ist es ganz schön frisch!«, sagte ich und gab ihm einen Klaps auf den Arm,
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