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Oliver - Peace of Mind

Oliver - Peace of Mind

Titel: Oliver - Peace of Mind
Autoren: Nicole Schroeter
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begreifen. Wie oft saßen wir zu dritt im Wohnzimmer? Jetzt
sind wir zu zweit und einer fehlt.
     
    Bei einem Apfeltee
reden wir ihn uns herbei. Betty erzählt mir wieder von den Jahren, die mir
fehlen. Ich erzähle ihr von meiner Freundin Matilda, die ich wieder gefunden
habe. Alle habe ich wieder gefunden. Alle sind noch da. Ein bisschen älter,
aber noch lange nicht alt. Oliver müsste auch noch da sein, keine Frage!
     
    Ich erzähle Betty,
dass er immer öfter zu Matilda ging. Damals, als er im Top Ten auf der
Reeperbahn als Türsteher jobbte und Matilda gerade in St. Pauli eine Wohnung
angemietet hatte. Damals, als Matilda mir erzählte, sie seien ein Paar.
    Matilda nahm Drogen.
Auch sie hatte damals eine schwere Zeit. Bei ihr rauchte er schon Heroin. Aber
das erfuhr ich erst letzten Sommer.
     
    Betty erzählt mir von
Tina. Ich erinnere mich an sie. Sie sah Betty ein bisschen ähnlich. Viel mehr
als ich jedenfalls. Und sie konnte nicht parken. Wirklich kein bisschen. Tina
war Olivers zweite richtige Freundin, sagt Betty jedenfalls.
     
    Ab dieser Zeit sah
ich Oliver gar nicht mehr. Betty erzählt, dass Tinas Vater den beiden eine
Tankstelle pachtete. Sie verdienten viel Geld damit. Olli hatte immer von viel
Geld geträumt. Nun hatte er es. Aber das Glück stellte sich trotzdem nicht ein.
Aber mit viel Geld konnte man viele Drogen kaufen. Harte Drogen. Kokain und
Heroin.
     
    Oliver benahm sich
immer unsozialer – durch die Drogen – und sie verloren die Tankstelle. Sein
Schwiegervater stellte ihm eine Falle, und weil Olli schon ein Verfahren wegen
einer nicht bezahlten Busfahrkarte hatte, ging er für eine Weile in den Knast.
Die Beziehung mit Tina zerbrach.
     
    Betty machte
unzählige Entzüge mit ihm, er steckte sich mit Hepatitis C an und sieben Jahre
vor seinem Tod gelang es Betty endlich, dass er ins Methadonprogramm
aufgenommen werden konnte. Seither ging er regelmäßig zu seiner Hausärztin, um
sich das Medikament abzuholen. Er blieb bis zum Schluss drogenfrei.
     
    Wir haben es eilig.
Wir haben zulange gequatscht. Der Blumenladen schließt gleich. Doch vorher gibt
mir Betty noch zwei ihrer Bilderrahmen mit. Ich will die Fotos von Oliver
einscannen und mir Abzüge davon bestellen. Es sind zwei Fotos aus der Zeit, in
der ich ihn nicht mehr sah. Ich habe noch zwei Seiten frei in meinem Album. Da
hinein möchte ich sie kleben.
     
    Dann stehen wir am
Grab. Ein großes Herz mit Rosen und Schärpe hat Betty für seinen Todestag
besorgt. Wir stehen im Nieselregen und frieren. Mein Blick schweift immer
wieder zwischen dem Grab mit den Blumen und dem Stein mit der Innenschrift hin
und her. Da steht sein Name und – Nur die besten sterben jung. Ich habe einen
Kloß im Hals. Mein Herz muss weinen, während mein Verstand sich weiterhin
hartnäckig weigert, zu verstehen.
     
    Betty gibt ein
Vermögen aus für all die schönen Blumen. Jeden Tag pflegt sie sein Grab. Das
kann man sehen.
    Elektrische
Grableuchten sorgen dafür, dass er nachts nicht im Dunklen liegen muss.
     
    Ich erzähle Betty,
dass ich mir eine Steinskulptur gekauft habe. Dort, wo ich auch die
Stein-Schneeli-Katze gefunden habe. Die Skulptur trägt den Namen „Der Einsame“.
Betty ist gerührt. Sie schenkt mir eine der elektrischen Grableuchten. Später
stelle ich sie zu dem Einsamen auf meinen Balkon.
    Jetzt fühle ich mich
Olli auch dann nah, wenn ich keine Zeit habe, sein Grab zu besuchen. Immer,
wenn ich auf den Balkon sehe, leuchtet sein Licht gegen die Einsamkeit an.

25. März 1987
     
    Ich war mit dem Bus
in die Innenstadt gefahren. In die Mönckebergstraße wollte ich. Ich wollte mir
einen Ring für den kleinen Finger kaufen. Das fand ich cool. Das hatte sonst
keiner. Keiner den ich kannte jedenfalls.
     
    Der Bus hielt direkt
vor Kaufhof. Ich blicke nach links, träume mich an dem Kaufhaus Horten vorbei,
über die Straße zum Bahnhof ZOB, wo ich noch vor Kurzem mit Olli geschlemmt
hatte. Ich musste lächeln. Wie es ihm wohl ging? Ich blickte nach rechts und
suchte die Schaufenster nach einem Juweliergeschäft ab, als mein Blick an dem
großen, dunklen Haarschopf hängen blieb, den ich kannte.
     
    Meine grünen Augen
trafen auf seine braunen Augen und schon stürzte er mir freudestrahlend entgegen,
umarmte mich so doll, dass ich fast zu Boden ging – er war ja fast dreißig
Zentimeter größer als ich - und küsste mich sofort drängend auf den Mund. Na,
wenn das nicht Oliver war, wie er leibte und lebte!? Ich lachte, rang nach
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