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Oliver - Peace of Mind

Oliver - Peace of Mind

Titel: Oliver - Peace of Mind
Autoren: Nicole Schroeter
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wohnte zwei Eingänge weiter, und manchmal, wenn eine von uns
Geld bekam, dann kauften wir uns ein Stangeneis am Kiosk um die Ecke.
     
    Matilda aufzuspüren war schwieriger gewesen, da sie sich nichts aus
Facebook machte. Aber zum Glück gab es ja auch noch Google, die Suchmaschine,
der nichts noch so Privates entging. Und so fand ich in der dritten
durchsuchten Nacht - ich hatte Urlaub - ein kleines Foto, das ein kleiner
Sportverein eines kleinen Dorfes ganz oben im Norden Deutschlands
veröffentlicht hatte. Und siehe da: Ich erkannte Matilda sofort. Noch in derselben
Nacht schrieb ich eine Mail an den Sportverein.
     
    Seither schreiben wir uns E-Mails, nicht solche bei Facebook, nein,
richtige Mails. Und die lese ich dann in der Mittagspause auf meinem iPhone.
     
    Am Donnerstag sehe ich Matilda endlich wieder. Wir haben Tränen in den Augen.
So viele Jahre und doch so vertraut, als wäre es gestern gewesen. Außen vom
Leben gezeichnet und innen jung geblieben. Wir brauchten die Jahre: um zu
reifen und um unsere Freundschaft vertiefen zu können.
     
    Wir gehen im Wald spazieren. Die Sonne scheint. Wo soll ich anfangen zu
erzählen? Wo sie? Ich will alles wissen. Ich will alles erzählen. „Weißt Du
noch der? Weißt Du noch die? Weißt Du was von Oliver?“
     
    Sie sagt es zuerst. Nicht ich. Obwohl ich es war, die von ihm geträumt
hat. Gerade erst. Gerade wieder.
    „Nein!,“ ich schüttle den Kopf. „Du?“ Sie verneint auch.
    Wir schweigen einen Moment. Dann fragt sie: “Stört es dich, dass ich auch
mit ihm zusammen war?“
    „Kein bisschen!“ Und das meine ich ehrlich so.
     
    Matilda kannte ihn, als wir uns schon entzweit hatten. Er und ich und sie
und ich. Beide waren meine Freunde gewesen. Wieso sollte ich es ihnen missgönnt
haben?
     
    „Ich kann ihn nicht finden“, erzähle ich ihr. „Weißt du, manchmal träume
ich von ihm. All die Jahre schon. Immer mal wieder. Aber in letzter Zeit
passiert es öfter. Und so habe ich ihn auch gesucht: im Internet, im
Telefonbuch, auch seinen Bruder Dave und seine Mutter Betty. Aber sie sind alle
wie vom Erdboden verschluckt. Es wäre schön gewesen, du hättet mir von ihm
berichten können.“
     
    Einen Moment lang gehen wir schweigend weiter. Lauschen, wie die Blätter
rascheln, und hängen jeder unseren ganz eigenen Gedanken nach. Dann wechseln
wir das Thema.
     
    In der folgenden Nacht träume ich noch einmal von Olli. Es ist, als wären
wir noch immer jung und noch immer glücklich, einander zu haben. Als der Morgen
kommt und ihn mir wieder nimmt, bin ich sehr nachdenklich. Und melancholisch.
     
    Und als ich nach einer weiteren Woche auch noch ein einsames Foto von ihm
finde, weil ich unbedingt meine alten Tagebücher aus dem Keller kramen musste,
fasse ich voller Sehnsucht den Entschluss, ihn finden zu müssen. Koste es, was
es wolle!

Der Brief
     
    Also mache ich das, was ich am besten kann: Ich schreibe einen Brief.
Aber an wen? Und wohin soll ich ihn schicken?
    An einem verregneten Sonntag setze ich mich in mein Auto und fahre
einfach zu dem Ort, an dem ich ihn zum letzten Mal sah: die Wohnung seiner
Mutter. Ich habe den Brief an sie adressiert, auch nur gefragt, wie es Olli so
ginge und auch nur eine Handynummer angegeben. Vor Jahren, so erinnere ich
mich, hatte ich sie beim Einkaufen getroffen. Da sagte sie mir, ich solle mich
von ihm fernhalten, da er nach seinem Unfall ein anderer geworden sei. Aber
davon später mehr.
     
    Ich parke also den Wagen vor seinem Wohnblock - ein Stück weiter ruft der
Anblick meines eigenen alten Zuhauses weitere Erinnerungen wach – und steige
aus. Mit weichen Knien, so als hätte ich ein Date, gehe ich zum Eingang. Meine
Augen suchen die Briefkästen ab. Einer ist besonders voll. Darüber steht der
Nachname von Betty und seinem Bruder, und – mein Herz setzt einen Takt lang aus
– Ollis Nachname!
    Ich bekomme Angst. Mit zitternden Fingern stopfe ich meinen Umschlag
zwischen die Werbeprospekte, eile zum Auto zurück und brause davon.
     
    Nichts anderes hat mehr Platz in meinem Kopf, als der Gedanke an ihn. Er
lebt! Sein Name steht an der Tür. Ich will nicht darüber nachdenken, warum er
mit über vierzig Jahren dort wohnt. Es ist nur wichtig, dass er noch da ist.
Dass ich noch einmal die Chance habe, ihn zu sehen und mit ihm zu reden. Über
was nur? Was sagt man seiner Liebe, wenn man sich fünfundzwanzig Jahre lang
nicht hat blicken lassen? Nur mit sich selbst beschäftigt war!
    Erneut greife ich zum
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