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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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drogengefährdet sei, aber nun zeigte er sich doch sehr erfreut darüber, dass Mariekes Verhaltensauffälligkeiten auf eine Ursache zurückzuführen war, die genauso alt war wie die Menschheit – und zudem völlig harmlos.
    Aber warum sind denn ihre eigenen Eltern nicht selbst auf diese ebenso nahe liegende wie natürliche Erklärung gekommen? Verlieben ist doch bei einem siebzehnjährigen Mädchen gar nicht so ungewöhnlich, oder?, fragte er sich lächelnd.
    Sein gedankenversunkener Blick schwenkte in die Gasse, in der vor ein paar Minuten die beiden Turteltauben verschwunden waren.
    Nur wer von den beiden Superpädagogen sollte denn auch auf solch eine Idee kommen? Diese in Gestalt meiner Schwägerin fleischgewordene menschliche Heckenschere etwa? Die ist doch total verklemmt!, stellte er ketzerisch fest. Ist ja auch kein Wunder, schließlich hat sich außer Heiner niemals einer an sie ran gewagt.
    Und Heiner? Der ist doch völlig blind vor Eifersucht! Na ja, gut, auf der anderen Seite ist es heutzutage natürlich für Eltern auch nicht mehr ganz so einfach wie früher, solche Dinge mitzubekommen. In meiner Jugend liefen diese Kontakte ja mehr oder weniger öffentlich ab: Über das fest installierte Telefon im Flur oder Wohnzimmer. Und heute? Heute läuft doch fast alles nur noch schnurlos über Handys. Kein Wunder, dass Eltern viel weniger als früher erfahren, welche Freunde ihre Kinder haben.
     
    Wolfram Tannenberg belieferte mit den auf dem Wochenmarkt erworbenen Frischwaren zuerst seine Eltern im so genannten Nordhaus, das an die Beethovenstraße angrenzte. Dann begab er sich mit den restlichen Tüten über den gemeinsam genutzten Innenhof in das an der Parkstraße gelegene Südhaus der tannenbergschen Wohnanlage, hinter deren dicken Bruchsteinmauern seine über alles geliebte Schwägerin in Matriarchatsmanier das Zepter schwang.
    „So, werte Elsbeth“, begann er, nachdem er die Wohnküche betreten hatte. Dieser Raum sah immer noch genauso aus, wie man sich das leicht chaotische Lebenszentrum einer studentischen Wohngemeinschaft vorstellte. „Melde gehorsamst: Habe alle deine Wünsche erfüllt: Vollbiologisches Vollkornbrot, glückliche Eier von glücklichen Hühnern und der garantiert ungespritzte, garantiert von Schnecken angefressene, dafür aber doppelt so teure Öko-Bio-Natur-Salat.“
    Grinsend hatte Tannenberg die genannten Lebensmittel auf den mit Leinöl behandelten Buchenholztisch gestellt, auf dem, wie es sich für ein kultur- und politikinteressiertes Lehrerehepaar schließlich auch gehörte, DIE ZEIT stets ihr einwöchiges, ebenso demonstratives wie häufig unberührtes Dasein fristete, bevor sie wie üblich am nächsten Donnerstag durch das aktuelle Exemplar ersetzt wurde und dann zwar durchgeblättert, nicht selten aber auch völlig unangetastet auf Nimmerwiedersehen in der Altpapierbox im Hof verschwand.
    „Ach Gott, bist du wieder originell!“, entgegnete die mit einem wallenden, bordeauxfarbenen Gewand bekleidete Englischlehrerin, die deshalb darauf bestand, Betty genannt zu werden, weil ihr eigentlicher Vorname für sie ein rotes Tuch war.
    „Heiner“, schrie Tannenberg plötzlich mitten in der Küche los, „komm mal runter, ich hab wichtige Informationen über eure Tochter!“
    Aus den kurz danach einsetzenden lauten Poltergeräuschen aus Richtung des Treppenhauses schloss er spontan, dass sein Bruder, der sich aus mehr als nachvollziehbaren Beweggründen sehr oft in sein Arbeitszimmer im ausgebauten Dachgeschoss flüchtete, die Aufforderung vernommen hatte.
    „Und: Hast du was rausgekriegt?“, fragte er direkt nachdem er in der Küche erschienen war, ohne ein Wort der Begrüßung. „Haben deine Kollegen von der Drogenfahndung irgendwas über diese verfluchten Dealer gesagt, die in der Altstadt ihr Unwesen treiben?“ Heiner musste verschnaufen. „Mensch, Wolf, sag endlich, was Sache ist.“
    „Ganz ruhig, setzt euch doch erst mal hin.“
    „Hinsetzen? Ist es denn etwa so schlimm?“, stöhnte Betty laut auf, warf die Hände vor den Kopf, kämpfte mit den Tränen. „Meine arme Marieke! Um Himmels willen.“
    „Na, ist ja auch kein Wunder, dass es mit ihr so weit gekommen ist. Wie sagt man so schön: ›Lehrers Kinder und Pfarrers Vieh, gedeihen selten oder nie‹.“
    Aus Heiners Gesicht hatte sich das Blut in Richtung entfernterer Körperregionen verabschiedet. „Über so was macht man keine Scherze, Wolf! Überleg dir lieber mal, wie wir ihr helfen können, damit sie
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