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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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ausgeprägtes soziales Handeln verwirklichenden Menschen bezeichnet, denn dazu war er viel zu faul und egoistisch. Aber dieser samstägliche Wochenmarktbesuch war für ihn doch so etwas wie ein symbolischer Akt, mit dessen Hilfe er sein schlechtes Gewissen besonders gegenüber den Eltern, die ihn schließlich mietfrei im Obergeschoss ihres Hauses wohnen ließen, beruhigen konnte.
    Nach getaner Einkaufsarbeit schleppte er sich auch an diesem Morgen, schwer beladen wie ein andalusischer Packesel, zu seinem Lieblingscafé, wo er sich trotz der niedrigen Außentemperaturen auf einem Plastikstuhl im Freien niederließ. Es war zwar recht kalt und auch etwas windig; aber das störte ihn nicht, schließlich hatte er fast zwei Jahrzehnte lang bei jedem Wetter und jeder Temperatur im Fritz-Walter-Stadion auf der zugigen Nordtribüne gesessen.
    In dem kleinen Zeitschriftenladen an der Stiftskirche hatte er sich die FAZ gekauft und breitete sie nun vor sich auf dem kleinen Bistrotischchen aus. Aber als er zu lesen beginnen wollte, stellte er fest, dass er die zu dieser Mittagsstunde herrschenden Lichtverhältnisse wohl falsch eingeschätzt hatte. Denn da die winterkahlen Platanen noch keinen Schatten spenden konnten, wurde die Zeitung so stark von grellem Sonnenschein bestrahlt, dass an eine genüssliche Lektüre nicht zu denken war.
    Seine blinzelnden Augen erhoben sich von der Zeitung. Er blickte in Richtung der verwitterten Sandsteinsockel des mittelalterlichen Kirchengemäuers. Er gewann den Eindruck, dass an diesem kühlen Apriltag irgendetwas anders war als sonst.
    Nur was?, dachte er.
    Er grübelte, ließ den Blick in Richtung des Schillerplatzes schweifen, kehrte wieder zurück. – Klar! Es war das andere Garagentor! Der Apotheker hatte das mausgraue Metallteil durch ein braunes Kunststofftor ersetzen lassen.
    Das war es also! Tannenberg schmunzelte.
    Plötzlich bemerkte er einen großflächigen Schatten zu seiner linken Seite, der sich wie ein schwarzer Mantel auf den Tisch und die Zeitung geworfen hatte. Sofort drehte er sich um, blickte neugierig empor.
    „Hallo, Onkel Wolf!“, begrüßte ihn Marieke mit einem strahlenden Lächeln. „Darf ich dir meinen Freund vorstellen: Maximilian Heidenreich.“
    Tannenberg sprang auf. Die Zeitung rutschte an der Tischplatte hinunter und blieb zwischen Stuhl und Tisch senkrecht stehen.
    „Angenehm … Tannenberg … Ich bin Mariekes Onkel. Setzt euch doch zu mir!“, stotterte er verlegen wie ein schüchterner Pennäler, der sich an seinem ersten Schultag den Klassenkameraden vorstellen musste.
    „Danke, Herr Tannenberg. Schön Sie einmal kennen zu lernen. Marieke hat mir schon viel von Ihnen erzählt.“
    „Na, hoffentlich nicht allzu schreckliche Dinge.“
    Max lachte. „Nein, nein. Ganz im Gegenteil!“
    Tannenberg war sichtlich erleichtert und forderte die beiden erneut auf, an seinem Tisch Platz zu nehmen.
    „Geht leider nicht, Herr Tannenberg“, wehrte Maximilian freundlich, aber bestimmt ab. „Wir haben noch ein wichtiges Date.“
    „Schade.“
    „Aber ein anderes Mal sehr gerne!“, sagte der sympathische junge Mann, während er lässig einen roten Motorradhelm neben seinem Körper baumeln ließ.
    „Tschüss, Onkel Wolf!“
    Marieke hakte Max unter, drückte sich zärtlich an seine schwarze Lederjacke und schob ihn von der Seite her an. Lachend verließen die beiden Turteltauben den Außenbereich des Stadtcafés.
    Zurück blieb ein übertölpelter Kriminalbeamter, der immer noch nicht so recht verstand, was ihm da gerade passiert war.
    Marieke hat einen Freund! Und was für einen! Kein kleiner Milchbubi, sondern ein richtig deftiger Kerl!, stellte Tannenberg amüsiert fest. Da wird sich mein liebes Bruderherz aber freuen, dieser eifersüchtige Gockel!
    Schlagartig war ihm alles klar. Das also war die Erklärung für das seltsame Verhalten seiner Nichte, das ihren Vater in den letzten Wochen so sehr beunruhigt hatte, dass er doch allen Ernstes zu der Meinung gelangt war, seine Tochter habe garantiert ein Drogenproblem. Marieke war verliebt! Deshalb war sie so aufgedreht, hatte ihr Wesen derart stark verändert, dass Heiner vermutete, sie würde Amphetamine oder Ecstasy schlucken.
    Die gute, alte Liebe!, sagte er grinsend zu sich selbst.
    Erleichterung breitete sich in ihm aus, denn ganz so spurlos waren die Erklärungsversuche seines Bruders doch nicht an ihm vorübergegangen. Zwar hatte er sich nicht ernsthaft vorstellen können, dass seine Nichte tatsächlich
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