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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
Autoren: Amelie Fried
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vergisst er trotzdem jeden Samstag seine Jacke in der Turnhalle (die das Wochenende über natürlich verschlossen ist, was bedeutet, dass er – auch im tiefsten Winter – bis Montag ohne Jacke rumläuft)?
    Oder: Tesafilm. Ich habe ihm in seinem Leben ungefähr hundert Tesafilm-Abroller geschenkt, die er samt und sonders verloren hat. Trotz meines ausdrücklichen, tausendfach ausgesprochenen, mit allen Drohungen dieser Welt versehenen Verbotes klaut er regelmäßig meinen Abroller (der häufig für immer verschwunden bleibt), was mich so aufregt, dass ich vor Wut durch die Decke gehen könnte. Ist ihm übrigens völlig egal. Lieber eine Mutter auf dem Dach, als keinen Tesa-Abroller zur Hand.
    Oder: die Klamotten-Berge. Weil meine Tochter zu faul ist, einmal getragene oder nur kurz anprobierte Kleider wieder in den Schrank zu räumen, schmeißt sie alles in die Wäsche. Drei bis vier Maschinen pro Tag kommen da schnell zusammen. Ich kann bitten, schimpfen, mich auf den Boden werfen, weinen, schreien, wüten – keine Wirkung. Null. Am nächsten Tag ist der Wäschekorb wieder voll.
    Die nassen Handtücher am Boden, die offene Zahnpastatube im Waschbecken, die frei flottierenden Schuhe, die überall herumliegenden Haargummis – bei jedem Gang durchs Haus mache ich die immer gleichen Aufräumarbeiten, die bereits nach Stunden nicht mehr zu bemerken sind. Dann geht alles wieder von vorn los.
    Manchmal möchte ich leise vor mich hin weinen. Die Sinnlosigkeit meines Tuns macht mich melancholisch. Woher nehmen zwei kleine, egoistische Menschenmoster das Recht, mich zu all den stumpfsinnigen, sich endlos wiederholenden Tätigkeiten zu zwingen, und dafür obendrein kein bisschen dankbar zu sein?
    Kinder kolonialisieren unser Leben. Sie besetzen unser Herz und unser Haus, sie halten uns mit unsichtbaren Fesseln gefangen und beanspruchen unsere Zeit und unsere Kraft wie nichts und niemand sonst.
    Außerdem hören sie unsere CDs, leihen sich unsere T-Shirts, benutzen unsere Wimperntusche, unsere Schere, unseren Computer, unseren Internet-Anschluss, unsere Digital-Kamera. Wie Heuschrecken fallen sie über den Inhalt des Kühlschrankes und der Speisekammer her, fragen ständig nach Geld, und wenn sie uns restlos ausgeplündert haben, fahren sie mit unserem Auto davon, hinein in ihr eigenes Leben.
    Manchmal stelle ich mir vor, was ich so tun würde den ganzen Tag, auf meiner einsamen Insel. Wie viele Bücher ich ungestört lesen und schreiben würde. Wie herzlich egal mir verlorene Jacken sein könnten. Wie gleichgültig nasse Handtücher am Boden. Und wie viele Tesa-Abroller ich besitzen würde. Eine schöne Phantasie. Leider auch ziemlich langweilig. Das Problem ist, dass man sich an die Hausbesetzer gewöhnt, dass man den täglichen Ärger mit ihnen regelrecht braucht, und dass einem beides schrecklich fehlen wird, wenn die Besatzung eines Tages vorbei ist.
    Hilft also nur eines: Die Kolonisatoren zu lieben, so lange sie da sind, und endlose Wäscheberge und offene Zahnpastatuben auf keinen Fall persönlich zu nehmen. Und dann bleibt uns ja auch noch der Trost, dass unsere Kinder eines Tages dasselbe durchmachen werden wie wir: Unsere Enkel werden uns rächen!

Luxusleben
    Die meisten von uns träumen ein Leben lang vergeblich von jenen Dingen, die angeblich so erstrebenswert sein sollen: Luxus-Kreuzfahrten, Golfclub-Mitgliedschaften, Designer-Klamotten, Society-Partys. Geld selbst zu verdienen ist anstrengend, deshalb streben viele junge Frauen nach einer Eheschließung mit einem möglichst solventen und prominenten Vertreter der Männerwelt, wie zum Beispiel … Dieter Bohlen. Der kann einer Frau ganz offensichtlich ein Leben im Luxus und – ganz wichtig – im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit ermöglichen. Mal abgesehen davon, dass ein Leben mit Dieter Bohlen vermutlich schmerzensgeldpflichtig ist, kann ich Sie auch sonst beruhigen: Das tolle Leben ist nicht halb so toll wie Sie denken!
    Luxus-Kreuzfahrt. Ich hatte mal Gelegenheit, zwei Tage auf so einem Dampfer der Luxusklasse zuzubringen. Sieht aus wie ein riesiges Hotel, hat aber den Nachteil, dass man nicht auf die Straße gehen kann. Selbst wenn Sie unter dreißig sind, senken Sie durch Ihre Anwesenheit den Altersdurchschnitt bestenfalls auf 82. Sie müssen den lieben langen Tag essen, schließlich war die Reise teuer genug und soll sich amortisieren. Wenn Ihnen jemand ein Gespräch aufdrängt, ist es schwer, zu entkommen, außer Sie springen über Bord. Und wenn
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