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Oelspur

Titel: Oelspur
Autoren: Lukas Erler
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Zevic. 1960 kommt er mit seinen Eltern nach Deutschland. Die finden zunächst einen Job bei Opel in Rüsselsheim und machen dann fünfzehn Jahre später in Frankfurt ein jugoslawisches Speiserestaurant auf. Zlatko hat in der Zwischenzeit einen Schulabschluss und eine Ausbildung zum Krankenpfleger hinter sich gebracht. Von 1975 bis 1985 arbeitet er als Pfleger in verschiedenen Kliniken im Frankfurter Raum. Dann taucht er ab und verschwindet praktisch spurlos.«
    »Verdammt, woher wissen Sie das alles?«, fragte Anna.
    »Weil er ein einziges Mal einen Fehler gemacht hat. Ende 1985 gerät er im Frankfurter Bahnhofsviertel in eine Razzia der Polizei und wird erkennungsdienstlich behandelt, weil er eine große Menge Medikamente bei sich hat, die unter das deutsche Betäubungsmittelgesetz fallen. Er bestreitet, dass die Medikamente sein Eigentum sind, und als am nächsten Tag ein Albaner aus dem Rotlichtmilieu behauptet, sie Zevic untergeschoben zu haben, wird das Verfahren eingestellt. Ich weiß nicht, ob nach deutschem Recht der ganze Vorgang hätte gelöscht werden müssen, aber die Frankfurter Polizei hat es nicht getan. Nach zweiundzwanzig Jahren hatten sie noch alles: Fotos, Fingerabdrücke, Vernehmungsprotokolle. Im Grunde war es gar nicht so schwer. Wir wussten, dass der Mann mit dem ehemaligen Jugoslawien zu tun hatte, und Ihr Hinweis auf sein völlig akzentfreies Deutsch deutete darauf hin, dass er in Deutschland aufgewachsen sein musste. Wir haben ein paar gute Kontakte zur Polizei in Antwerpen. Jemand dort hat auf unsere Bitte hin das Foto mit einer Anfrage an die deutsche Polizei weitergeleitet. War natürlich auch nicht billig. Der elektronische Abgleich mit deren Fotoarchiven ging dann ziemlich schnell.«
    »Ich hab’s immer gewusst, dass die Bullen nichts wegschmeißen«, flüsterte Anna und fragte dann: »Wird der Typ denn jetzt als Kriegsverbrecher gesucht?«
    Verlaine schüttelte den Kopf.
    »Auf den Listen des International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia und von Interpol taucht er nicht auf, aber das bedeutet nichts. Viele Serben und Kroaten sind bei Ausbruch des Bürgerkrieges aus dem Ausland in ihre Heimat zurückgekehrt. Glühender Patriotismus, Abenteuerlust, Mordgier, aus welchen Motiven auch immer. Auf jeden Fall kannte sie dort niemand. Die von den Behörden und dem Haager Tribunal identifizierten und zum Teil dingfest gemachten Männer wie zum Beispiel Radomir Kovac, Gojko Jankovic und Dragan Zelenovic waren in Bosnien bekannt. Unser Mann hätte alles mögliche tun können, ohne dass nach dem Krieg jemand mit dem Finger auf ihn zeigen konnte.«
    »Immerhin ist er mit einem Kriegsverbrecher Motorrad gefahren«, sagte Anna bissig.
    »Natürlich können wir nichts beweisen, aber ich glaube, da war noch mehr«, sagte Verlaine. »Denken Sie an den Mann im Apfelbaum.«
    »Und wie ging es dann weiter?«
    »Wir denken, dass er gegen Ende des Bürgerkrieges Bosnien verlassen hat. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, was er bis 2001 gemacht hat, aber in diesem Jahr kommt er nach Brüssel. Wir wissen natürlich nicht, wann er angefangen hat, für IMSS zu arbeiten. Was macht er da eigentlich?«
    Ich musste an Villani denken. An die aufgeplatzte Lippe, seinen leeren, verträumten Gesichtsausdruck und das dünne Rinnsal Blut, das aus seinen Ohr floss.
    »Er macht die schmutzigen Sachen, die, von denen in der Firma sonst keiner etwas wissen will. Desinformationskampagnen, Bestechung, Infiltration von Umweltschutzorganisationen und Schlimmeres. Ich glaube, dass er in Bosnien erst erkannt hat, wo seine wahren Stärken liegen.«
    »Was ist mit seinem Privatleben?«, fragte Anna.
    Verlaine nickte Teerboom zu, und der griff wieder nach seinem Laptop.
    »Das ist nicht besonders aufregend«, sagte er. »Unser Mann geht nur unregelmäßig in die Firma und dreimal pro Woche in einen Fitnessclub. Er schläft offenbar lange, frühstückt jeden Morgen in einem kleinen Café in den Marollen und isst abends vorzugsweise in Restaurants, wo Fisch serviert wird. Aber«, Teerboom machte eine kleine dramatische Pause, »er hat eine sehr schöne Freundin.«
    Auf dem Monitor erschien das farbige Bild einer jungen Frau. Sie hatte dunkle Augen, brünette lange Haare und sehr volle Lippen, die zu einem mokanten Lächeln verzogen waren.
    »Stimmt«, sagte Anna, »aber bei den Lippen hat sie was machen lassen.«
    Teerboom blinzelte irritiert.
    »Das ist Jacqueline van t’Hoff«, sagte er, »sie ist Kunstmalerin und hat ein
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