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Öl-Connection

Öl-Connection

Titel: Öl-Connection
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Das Risiko einer Öl- oder Chemietanker-Havarie vor der Wattenmeerküste ist hoch. Beinahe-Unfälle sind an der Tagesordnung.
    Das Wattenmeer gilt weltweit als eine der gegen Ölverschmutzung empfindlichsten Küsten. Aus Erfahrungen aus der Bretagne mit der Havarie der Amoco Cadiz im Jahre 1978 weiß man, daß schlickreiche Flachwasserzonen wie diese und Salzwiesen mindestens ein Jahrzehnt benötigen, um sich auch nur halbwegs von einer Ölpest zu erholen.
    Vom technischen zum ökologischen Black-Out
    Die Folgen einer Ölpest im Wattenmeer sind mit denen auf offener See nicht vergleichbar. Das Leben von Algen, Bakterien und Wirbellosen spielt sich hier – für viele erst auf den zweiten Blick erkennbar – am und im Boden ab. Die Bodenlebensgemeinschaften sind auf rhythmische Zufuhr von Sauerstoff, Nährsalzen, Plankton und Schwebstoffen mit den Fluten angewiesen. Bedeckt der Ölfilm erst einmal das schlick- und lebensreiche Watt, so kommt jede technische Hilfe für das Ökosystem zu spät. Hier genügen oftmals schon wenige Milliliter Öl, um 3-4 kg lebender Biomasse zu ersticken und von der lebenswichtigen Wasserzufuhr aus der offenen Nordsee abzuschneiden. Soviel Leben kann sich nämlich unter einem Quadratmeter Sedimentoberfläche befinden!
    Die Ölmassen, die nicht im Watt verbleiben, werden von Flut, Wind und Wellen in die vor den Deichen liegenden, hochempfindlichen Salzwiesen getrieben. Watt und Salzwiesen werden mit den Gezeiten zweimal täglich erneut belastet und somit gründlichen vom hin und her schwappenden Ölteppich getränkt.
    Rohöl dringt je nach seiner Beschaffenheit und dem Sedimenttyp (Sand-, Misch-, Schlickwatt) bis zu mehreren cm tief in den Wattboden ein. Auf jeden Fall werden Kieselalgen, Blaualgen und Bakterien geschädigt, die die obersten Millimeter Sediment als dichter lebender Film besiedeln und zusammenhalten. Millionen Wattschnecken wird damit schon die Nahrungsgrundlage entzogen – mit Folgen für die nächsten Glieder der Nahrungskette (z.B. Brandgans). Die Sauerstoffproduktion durch Mikroorganismen wird im obersten aktiven Sedimenthorizont mindestens halbiert, die Aktivität der denitrifizierenden Bakterien kommt möglicherweise ganz zum Erliegen. Letztere sind besonders wichtig, weil sie das im Übermaß schädliche Nährsalz Nitrat in harmlosen Luftstickstoff und Sauerstoff zerlegen. Eine besondere Eigenschaft des Wattenmeeres besteht nämlich darin, wie eine riesige ›Großkläranlage‹ zur natürlichen Selbstreinigung der südlichen Nordsee beizutragen. D.h. organische Abfallstoffe werden von Milliarden Organismen filtriert, umgewandelt und in ihre mineralischen Bestandteile überführt. Außerdem verfestigen Algen und andere Kleinstorganismen das Sediment mit Exkreten, Schleim und Gallerten. Das belebte Watt wirkt also wie ein Wellenbrecher und Puffer für Sturmfluten und trägt so zum Schutz von Deichen und Festland bei. Alle diese Funktionen würden nach einem großen Tankerunfall über Jahre ausfallen oder geschwächt.
    Für den natürlichen Abbau von Rohöl bietet ausgerechnet der Wattboden die denkbar schlechtesten Voraussetzungen. Ölabbauende Bakterien siedeln sich nur dort an und vermehren sich dort rasch, wo ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht. Nur auf den vorgelagerten Sänden und in den äußersten seeseitigen Zonen des Watts gibt es genügend tief durchlüftete Sedimente. Auf dem Gros der Wattflächen und in den schlickigen Salzwiesen ist die sogenannte ›Oxidationsschicht‹ nur wenige Millimeter dick, und der natürliche Sauerstoffmangel wird durch den Ölfilm selbst noch verstärkt.
    Im Wattboden leben dicht an dicht viele Muscheln, die mit ihren Siphonen Wasser von der Wattoberfläche filtrieren und folglich Ölfilm und -tröpfchen aufnehmen, d.h. innerlich vergiftet werden bzw. ersticken. Würmer bauen Öl- und Teerpartikel durch ihre Wühl- und Grabetätigkeit in das Sediment ein, d.h. sie verschleppen die Ölverschmutzung in tiefere Schichten. Die Vergiftung der Nahrungsketten durch z.B. aromatische Ölbestandteile nimmt wegen des hohen Stoffumsatzes rasch ihren Lauf.
    Kinderstube geschlossen
    Der Zusammenbruch der wirbellosen Bodentierbestände, z.B. der Sandpierwürmer und Herzmuscheln in weiten Teilen des jeweils betroffenen Wattgebiets, führt dazu, daß bodenlebenden Fischen der südlichen Nordsee, vor allem Schollen und Seezungen, die Nahrungsgrundlage entzogen wird. Das Wattenmeer ist Kinderstube für diese und andere Fischarten. Jahr
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