Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öffentliche Mülleimer dürfen nicht sexuell belästigt werden - Richter, J: Öffentliche Mülleimer dürfen nicht sexuell beläs

Öffentliche Mülleimer dürfen nicht sexuell belästigt werden - Richter, J: Öffentliche Mülleimer dürfen nicht sexuell beläs

Titel: Öffentliche Mülleimer dürfen nicht sexuell belästigt werden - Richter, J: Öffentliche Mülleimer dürfen nicht sexuell beläs
Autoren: Justus Richter
Vom Netzwerk:
Vorstellungen von gutem Benehmen. So fragte dereinst Luther bei seinen Gästen nach, warum diese denn nicht rülpsten oder furzten (’tschuldigung), ob es ihnen gar nicht schmecke? Diese Frage würde heutzutage wahrscheinlich niemandem mehr einfallen, und der lautmalerische Beweis einer funktionierenden Verdauung gilt in unserem Kulturkreis insgesamt ohnehin als verpönt. Dagegen gehört es zu den guten Tischmanieren, die Ellenbogen während des Essens nicht auf der Tischplatte ruhen zu lassen, was in China verständnisloses Stirnrunzeln hervorruft. Dies wiederum dient uns als Beleg dafür, dass Knigge eben nicht überall gleich Knigge ist – gutes Benehmen lässt sich bedauerlicherweise nicht über globale Standards definieren.
    Doch nicht nur in den Tischmanieren unterscheiden wir uns hierzulande mal mehr, mal weniger deutlich von anderen Nationen. So findet die Mittagsruhe – in zahlreichen Vorstadtsiedlungen ein steter und nie versiegender Quell nachbarschaftlichen Gezänks – in unseren Breiten zwischen 12 und 14:30 Uhr statt; zu einer Zeit also, in der der Grieche gerade mal mit dem Nachtisch begonnen hat. Dort wird der Start der offiziellen Siesta gerne auf 15:30 Uhr festgelegt und bis 18 Uhr wird dann in aller Regel auch kein Handstreich mehr getan.
    Das bekannte Sprichwort »andere Länder, andere Sitten« hat also vor allem in punkto Benehmen absolute Berechtigung. In der Umgebung des Teutonengrills Rimini sind öffentliche Massagen ein öffentliches Ärgernis und somit verboten, in Chile macht man sich strafbar, wenn man Hunden menschliche Namen gibt, und Kindern ist es in Hongkong untersagt, in der Öffentlichkeit Tierlaute nachzuahmen – zur Rechenschaft gezogen werden allerdings ihre Eltern. Im italienischen Lucca gilt das Füttern von Tauben als ein Vergehen wie auch in einigen französischen Städten. Personen, die älter als zwölf und jünger als sechzig sind, dürfen sich auf dem Platz Colombo in San Remo nicht auf Brunnenränder setzen, und in der peruanischen Hauptstadt Lima kann man festgenommen werden, wenn man an seinem Fahrrad eine Hupe oder eine Klingel befestigt hat, deren Klang einer Autohupe ähnelt.
    Die folgende Liste mag Ihnen, werte Leser, verdeutlichen, dass gutes Benehmen tatsächlich eher Glückssache ist – jedenfalls für Ortsfremde.
    Platz 12
    § Mit Beschluss des Stadtrates (…) wird das Studium von Büchern, Zeitschriften, Zeitungen oder anderen trag- und lesbaren Medien auf öffentlichen Straßen und Plätzen der Kommune nach 20 Uhr untersagt.
    Lesen nach 20 Uhr verboten? In Southbridge, einer prosperierenden Gemeinde des Staates Massachusetts, ist man möglicherweise der Ansicht, Lesen nach 20 Uhr sei schädlich für den Charakter. Oder für die Augen. Oder beides. Vielleicht hatten sich auch Unfälle gehäuft, bei denen lesende Zeitgenossen ob ihrer Vertieftheit mit Straßenlaternen kollidiert waren und daraufhin die Stadt verklagt hatten, weil diese durch das Aufstellen der Laternen ein hohes Verletzungsrisiko heraufbeschworen hatte. Wenn wir der amerikanischen Gerichtslogik folgen, die wir nun schon anhand mehrerer Fälle dokumentiert haben, kann man sich durchaus vorstellen, dass der ein oder andere Kläger Schadensersatz in Millionenhöhe zugesprochen bekommen hat. Das wiederum hat offenbar die Gemeindeverwaltung dazu gezwungen, sich zwischen zwei Übeln zu entscheiden: entweder alle Straßenlaternen abzumontieren oder das Lesen zu verbieten. Beim »Nicht-Lesen« kann sich zumindest keiner verletzen. Oder?
    Platz 11
    In einer Verordnung für den sicheren Betrieb von Badeanstalten in Vermont findet sich unter den Verboten auch der folgende Passus:
    § (…) Untersagt ist (…) das schrille Pfeifen (…) auch unter der Wasseroberfläche.
    Da denken wir kurz nach, spitzen die Lippen zu einem anerkennende Pfiff und sagen: uiii. Denn wenn es in Vermont irgendwann einmal jemanden gegeben haben sollte, der tatsächlich unter Wasser gepfiffen hat, dann wird die Teilung des Roten Meeres per Handzeichen auch gleich viel wahrscheinlicher. Dass Jesus übers Wasser gegangen ist, ist gegen den »Schrillpfeifer von Vermont« beinahe schon eine Kleinigkeit. Oder – um es anders zu formulieren: Die Geschichte des Pfeifens, des Wassers und der Akustik müsste neu geschrieben werden.
    Platz 10
    § Niemand, der an den Blattern oder der Schwarzen Pest erkrankt ist, hat das Recht, ein Taxi zu bestellen, zu rufen oder zur Beförderung zu nutzen.
    Wie viele andere Verordnungen aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher