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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller
Autoren: Bastei Lübbe
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brüllenden, nicht enden wollenden Donnergetöse kaum zu hören ist.
    Wieder blitzt es. Da ist jemand! Rudy hat mitten im Wohnzimmer eine Gestalt gesehen, die im strömenden Regen kauert. Nein ... sie kniet. Sie kniet vor einem ... ja, es scheint ein Rollstuhl zu sein. Und im Rollstuhl sitzt ein kleines, zusammengeschrumpft aussehendes Wesen, das plötzlich den Kopf hebt und Rudy zwei phosphoreszierende Augen zuwendet.
    Blöder Affe!, erklingt es in seinem Schädel, der plötzlich wie in einem Schraubstock zusammengedrückt wird. Rudy versucht, sich dem Gnom noch einige Schritte zu nähern und die Waffe zu heben, doch ein roter Schleier legt sich vor seine Augen, seine Nase beginnt wieder zu bluten, und sein Schädel scheint explodieren zu wollen. Die Beine geben unter ihm nach, und er fällt ebenfalls auf die Knie. Das Pfeifen in seinen Ohren ist kaum auszuhalten, und der Druck im Kopf wird unerträglich ... Abou! Tu etwas! Er tötet mich!
    Doch es ist nicht Abou, der Rudy zu Hilfe kommt, sondern das Gewitter. Für den Bruchteil einer Sekunde ist der Salon in blendende Helligkeit getaucht, die sich in einen ohrenbetäubenden Knall auflöst. Es ist, als ob sich der Erdboden auftue. Rudy wird mit voller Wucht rückwärtskatapultiert und knallt gegen die durchnässte Wand. Er kann nichts mehr sehen, seine Haare knistern, Krämpfe schütteln seine Gliedmaßen, Elektrowellen bringen seine Nerven zum Zucken, und sein Herz gerät aus dem Takt. Der Druck in seinem Schädel jedoch hat aufgehört. Nur langsam verschwindet die Überspannung aus seinem Körper. Seine Augen erholen sich von der blendenden Helligkeit des Blitzes. Zitternd gelingt es ihm, aufzustehen und sich in die Nähe des Rollstuhls zu tasten. Die immer noch im Sekundentakt über den Himmel zuckenden Blitze ermöglichen ihm zu erkennen, was geschehen ist. Der Rollstuhl hat sich in ein rauchendes Wrack verwandelt, in dem sich eine nur noch ansatzweise erkennbare, menschliche Gestalt befindet. Daneben liegt eine Frau von etwa vierzig Jahren mit verkohlten Haaren und verbrannten Kleidern, auf deren geschwärztem, mit Brandblasen übersätem Gesicht ein Ausdruck unendlicher Überraschung liegt.
    Der Blitz! Rudy erwacht aus seiner Betäubung. Plötzlich versteht er. Der Blitz hat Tony Junior getötet!
    Ein Geräusch aus dem Hintergrund holt ihn brutal in die Realität zurück. Ein neuerlicher Blitz zerreißt die Wolken. Rudy erkennt eine Gruppe von Männern. Sie sind aus dem Keller gekommen, wo sie sich in Sicherheit gebracht hatten, und stehen nun unschlüssig am Eingang zum Wohnzimmer. Ein Riese, der bestimmt über zwei Meter groß ist, überragt sie alle. Seine Augen unter den buschigen Brauen sind voller Glut. Rudy reißt seine Waffe hoch, doch niemand beachtet ihn. Man nimmt ihn nicht einmal wahr. Alle Blicke sind wie gebannt auf den Rollstuhl gerichtet, in dem die verkohlten Reste eines kleinen Körpers vor sich hin rauchen.
    Moses Callaghan bewegt stumm die Lippen, bis er leise die Worte hervorpresst:
    » Eli, Eli, lama asabthani? - Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«
    Plötzlich entdeckt Callaghans Sicherheitschef Rudy neben dem Rollstuhl und Pamelas Leiche.
    »Da! Der hat ihn getötet!«, schreit er auf und zieht seine Waffe.
    Ihm bleibt keine Zeit mehr, sie abzufeuern. Rudy war auf der Hut. Im vagen Schein der zuckenden Blitze leert er sein Magazin in Richtung der Wohnzimmertür. Die Männer nehmen Reißaus. Sie rempeln einander an wie Schafe, die durch ein zu enges Tor gejagt werden. Sie wollen nur noch verschwinden, als ob Tonys Tod ihnen allen Mut und jeglichen Kampfgeist geraubt hätte.
    Rudy legt ein neues Magazin in seine Beretta ein und schleicht sich vorsichtig an die Tür. Er zählt drei Tote - nein zwei: der, der gewarnt hat, und ein junger Mann mit Bürstenschnitt und freundlichem Gesicht. Der dritte Mann ist schwer verletzt. Es ist der Riese mit den buschigen Augenbrauen. Regen prasselt auf sein Gesicht und vermischt sich mit dem aus seiner Brust strömenden Blut. Er sieht Rudy mit fiebrigem, verschleiertem Blick an.
    »Ich habe alles mit angesehen«, keucht er mit pfeifender Stimme. »Du warst es nicht ... du hast den Geheiligten Geist nicht getötet. Gott selbst war es ... Ah!...« Seine Züge verzerren sich zu einer schmerzerfüllten Maske. »Ich bin verdammt!«
    »Moses Callaghan?«
    Jetzt erst erkennt Rudy das markante, scharf geschnittene Gesicht, das in den Medien immer so vorteilhaft wirkte, wenn es darum ging, einen
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