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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt
Autoren: Gregg Hurwitz
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bitte, soll das sein?«
    »Ein lang gehütetes Geheimnis lüften. Dich terrorisieren. Sich rächen.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe und fuhr sich durchs lange rote Haar. Mir fiel auf, wie attraktiv sie war. Im Grunde musste ich mich immer bemühen, damit mir so etwas auffiel, denn wir hatten von Anfang an eine geschwisterähnliche Beziehung gehabt. Trotz ihrer italienischen Empfindlichkeiten war Ariana bemerkenswerterweise nie eifersüchtig gewesen, und das mit Recht.
    »Hinter dieser DVD könnte auch irgendjemand aus dem Studio stecken«, schlug Julianne vor.
    »Aus dem Studio?«
    »Ja, von Summit Pictures. Da ist doch dieser kleine unwichtige Prozess gegen dich anhängig …«
    »Ach ja«, meinte ich. »Der Prozess.«
    »Du hast da eine Menge Feinde. Nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch die Juristen, die Ermittler, die ganze Meute. Könnte doch sein, dass sich einer von denen einen üblen Scherz mit dir erlaubt. Die haben ja keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht auf deiner Seite stehen.«
    Ich überlegte. In der Sicherheitsabteilung des Studios hatte ich einen Freund, bei dem ich vielleicht einen Besuch riskieren konnte. Schließlich hatte die DVD ja im Unterhaltungsteil der Zeitung gesteckt. »Warum nicht sogar Keith Conner?«
    »Stimmt«, nickte sie. »Warum nicht? Er ist reich, und er hat sie nicht mehr alle, und Schauspieler haben jede Menge freie Zeit. Und einen zwielichtigen Hofstaat dazu, der ihre Aufträge ausführt.«
    Aus der Bibliothek hörte man den Gong, und Marcello verließ uns, nachdem er sich an der Tür kurz zum Abschied verbeugt hatte. Julianne zog stärker an ihrer Zigarette, und die Glut fraß sich rasch Richtung Filter. »Außerdem hast du ihn ins Gesicht geschlagen. Soweit ich weiß, finden Filmstars das nicht besonders toll.«
    »Ich hab ihn nicht ins Gesicht geschlagen«, widersprach ich matt.
    Sie sah zu, wie ich ihr beim Rauchen zusah. Wahrscheinlich sah ich gar zu sehnsüchtig aus, denn sie hielt mir den Rest der Zigarette hin und fragte: »Fehlt’s dir sehr?«
    »Das Rauchen nicht. Eher das Ritual. Auf die Packung klopfen, das silberne Feuerzeug, die Zille am Morgen, im Auto, zum Kaffee. Irgendwie hatte das immer was Beruhigendes. Man wusste, darauf kann man zählen, die Zigarette ist immer da.«
    Sie drückte die Kippe seitlich am Fensterrahmen aus, ohne den Blick von mir zu nehmen. Sie schien verblüfft. »Versuchst du, sonst noch was aufzugeben?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Meine Frau.«

[home]
    6
    A ls ich in unsere Auffahrt einbog, trat Don Miller gerade aus seiner Haustür. Als hätte er auf mich gewartet. Es war kurz vor zehn, und ich kam gerade vom Arclight Multiplex-Kino – zum Abendessen hatte es Popcorn und Maltesers gegeben. Ich hatte einem Studenten versprochen, mir dort einen Pseudo-Independent-Streifen anzusehen, aus dem er einen Kurzfilm stricken wollte. Gut, denn die anderen Filme hatte ich alle schon gesehen. Auf jeden Fall besser als zu Hause rumsitzen.
    Als ich nach dem Poststapel griff, kam Don zu mir rüber. Ein kräftig gebauter, selbstbewusster Typ, dem man den ehemaligen Sportler immer noch ansah. Er räusperte sich. »Der … äh, der Zaun zwischen unseren Grundstücken ist an einer Stelle kaputt. Dahinten.«
    Ich verlagerte das Gewicht des Wäschesacks aus der Reinigung, den ich mir über die Schulter geworfen hatte. »Hab ich auch schon gesehen.«
    »Ich wollte meinen Kumpel fragen, ob er das reparieren kann. Wollte bloß wissen, ob das für dich okay wäre.«
    Ich blickte auf seine Hände. Ich blickte auf seinen Mund. Er hatte sich einen Ziegenbart wachsen lassen. Animalische Wut kochte in mir hoch, aber ich nickte nur und meinte: »Ja, gute Idee.«
    »Ich … äh, also ich weiß, dass für dich in letzter Zeit alles nicht so gut gelaufen ist, also hab ich mir gedacht, ich übernehm die Kosten.«
    »Wir teilen sie.« Ich drehte mich um und ging zu meiner Haustür.
    Er machte einen Schritt nach vorn. »Hör mal, Patrick …«
    Ich sah auf den Boden, wo sein Stiefel über unsere Grundstücksgrenze ragte. Er erstarrte und folgte meinem Blick. Dann wurde er rot, zog den Fuß zurück und nickte, nickte und machte kehrt. Ich sah ihm nach, bis er in seinem Haus verschwunden war, dann setzte ich meinen Weg fort.
    In der Küche ließ ich die Post und das Wäschepaket auf den Tisch fallen und kippte erst mal ein Glas Wasser hinunter. Ich lehnte mich gegen die Spüle, fuhr mir mit der Hand übers Gesicht und bemühte mich, den wachsenden Stapel
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