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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Autoren: Dean R. Koontz
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Bursche, weißt du das?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Doch, Harry, das bist du wirklich. Die Leute können grausam sein.«
    »Brauchst du mir nicht zu erzählen. Ich habe da meine eigenen Erfahrungen gemacht.«
    »Du? Du siehst doch ziemlich gut aus.«
    »Na ja, mehr oder weniger«, sagte ich. »Aber ich spreche nicht von mir. Ich habe nämlich auch einen Bruder. Vielleicht hast du mitgekriegt, wie ich Shackett von ihm erzählt habe.«
    »Nein, ich bin wohl erst später gekommen.«
    »Mein Bruder sitzt im Rollstuhl.«
    »Au, Mann, das ist’ne harte Sache.«
    »Und er ist auf einem Auge blind.«
    »Aha. Dadurch hast du also gelernt, Mitgefühl zu haben.«
    »Leicht war das nicht.«
    »Weißt du, was ich machen werde? Ich lasse mir alle Zähne ziehen und durch Implantate ersetzen.«
    »Autsch!«
    »Das tue ich für Freddie.«
    »Liebe ist eine Himmelsmacht. Aber trotzdem … autsch.«
    »Ach, bei der Operation wird man betäubt. Das ist schmerzlos.«

    »Hoffentlich stimmt das auch«, sagte ich.
    »Wenn der Arzt lügt, dann bringe ich ihn anschließend um.«
    Er lachte, ich lachte ebenfalls, und dann feuerte ich unter dem Tisch Mrs. Morans Pistole auf ihn ab.
    Reflexartig krümmte sich sein Finger um den Abzug. Die Kugel pfiff an meinem Kopf vorbei, worauf ich Mrs. Morans Pistole über den Tisch hob und noch zweimal abdrückte.
    Fast wäre er auf seinem Stuhl nach hinten gekippt, aber dann sank er vorwärts auf den Tisch, so tot wie alle anderen. Die Waffe fiel aus seiner Hand.
    Eine Weile saß ich da und zitterte. Es gelang mir nicht, aufzustehen. Mir war so kalt, dass mein Atem als Frostwolke hätte herauskommen müssen.
    Als der Rotschopf den Chief erschossen hatte, war ich rückwärts getaumelt und hatte es geschafft, vornüber auf die tote Pfarrersfrau zu fallen.
    Reverend Moran hatte Recht gehabt: Seine Frau hatte unter ihrem Blazer ein Holster mit Pistole getragen.
    Endlich stand ich vom Küchentisch auf. Ich ging zum Spülbecken und legte die Pistole auf den Geschirrablauf.
    Dann drehte ich das heiße Wasser auf und wusch mir das Gesicht. Trotzdem wurde mir einfach nicht warm. Mich fröstelte.
    Nach einer Weile merkte ich, dass ich mir die Hände wusch. Offenbar hatte ich das bereits mehrere Male getan. Das Wasser war so heiß, dass meine Hände krebsrot waren.

48
    Obwohl ich Melanie Morans Pistole lieber nicht noch einmal angefasst hätte, hörte ich, wie das Schicksal mich anbrüllte, ich solle - um Himmels willen - aus der Erfahrung lernen. Die neueste Lektion, die ich mir gut eingeprägt hatte, bestand darin, das Haus eines Pfarrers nie ohne Schusswaffe aufzusuchen.
    Im Wohnzimmer, in dem sich momentan keine Leichen befanden, benutzte ich Reverend Morans Telefon, um das Büro des Heimatschutzministeriums in Santa Cruz anzurufen. Die Nummer hatte ich mir ja bereits von der Auskunft geben lassen, als ich vom Münzfernsprecher vor dem Supermarkt aus telefoniert hatte.
    Mein Anruf wurde zu einem gelangweilten jüngeren Beamten durchgestellt, der zu gähnen aufhörte, als ich ihm sagte, ich sei der Typ, der das Schiff mit den vier Thermonuklearwaffen an Bord vor dem Hekate-Canyon auf den Strand gesetzt hatte. Davon hatte er bereits gehört; seine Behörde hatte von Los Angeles aus Agenten losgeschickt, und er hoffte, dass ich nicht die Absicht hatte, mit den Medien zu sprechen.
    Das konnte ich ihm versichern. Eigentlich, meinte ich, wolle ich nicht einmal mit ihm sprechen, denn in letzter Zeit hätte ich mich ständig mit irgendjemandem unterhalten müssen, und nun hätte ich genug davon. Ich wolle ihm bloß
mitteilen, dass sich die Zünder für die vier Bomben in einer Ledertasche befänden, die ich an der Ecke Memorial Park Avenue und Highcliff Drive in einem Altkleidersammelcontainer der Heilsarmee deponieren würde.
    Um seinen Kollegen Verwirrung zu ersparen, wies ich darauf hin, dass es an der Memorial Park Avenue nirgendwo einen Park gab und dass der Highcliff Drive keineswegs an irgendwelchen hohen Klippen vorbeiführte.
    »Das mit dem Schiff habe ich dem FBI mitgeteilt, und das mit den Zündern sage ich nun Ihnen«, sagte ich, »weil ich die ganze Sache nicht einer einzigen Behörde anvertrauen will. Und Sie sollten nicht jedermann vertrauen, der für die Polizei von Magic Beach arbeitet.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich zur Haustür und spähte durch eines der schmalen Seitenfenster auf die Veranda. Da ich keine Kojoten sah, verließ ich das Haus.
    Hinter mir läutete das Telefon. Ich wusste,
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