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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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Art von Gesicht hinzu, wie sie regelmäßig auf den Titelblättern von Zeitschriften auftaucht, dann brauchte man sich nicht zu wundern, dass Tybalts Aussehen ihn bei einer ganzen Menge von Leuten ziemlich weit brächte. Nicht aber bei mir. Was nicht bedeutet, dass es mir nicht auffiel e – der Mann verkörperte den Inbegriff von Sex-Appea l – , aber ich bin nicht so dumm, mehr zu tun, als ihn zu betrachten. Sogar wenn ich aus freien Stücken Umgang mit Faerie pflegte, sah ich doch nur hin, wenn ich mir auch sicher war, dass er mich nicht sehen konnte. Manche Spiele waren einfach zu gefährlich.
    »Aber es ist so einfach , sich an dich ranzuschleichen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Mauer. »Du solltest dich geehrt fühlen, dass ich mir überhaupt die Mühe mache, zumal es keine Herausforderung darstellt.«
    »Genau«, erwiderte ich trocken.
    Tybalt hat nie ein Hehl aus seiner Verachtung für Wechselbälger im Allgemeinen und mich im Besonderen gemacht. Nicht einmal die vierzehn Jahre, die ich vermisst gewesen war und für tot gehalten wurde, konnten daran etwas ändern. Die Dinge waren höchstens schlimmer geworden, denn als ich zurückkehrte, zog ich mich sofort von all den Orten zurück, an denen er gewohnt war, mich zu finden. Mich zu hassen erforderte plötzlich Müh e – eine Mühe, die er sich ärgerlicherweise aber gerne machte. Andererseits ist es regelrecht eine Erleichterung, weil das etwas ist, worauf ich mich verlassen kann. Die Sonne geht auf, der Mond nimmt a b – und Tybalt hasst mich.
    Sein Lächeln wurde breiter und ließ die Spitzen der übergroßen Eckzähne erkennen. »Vielleicht sollte ich ein Hobby daraus machen. Dann hättest du etwas, worauf du dich freuen kannst.«
    »Du könntest dich dabei verletzen.«
    Falls ihn die Drohung berührte, zeigte er das jedenfalls nicht. Er grinste bloß. »Tatsächlich?«
    Sein Tonfall klang eher sanft, allerdings schwang doch subtil die Warnung darin mit, dass ich auf eigene Gefahr handelte, wenn ich mich noch weiter vorwagte. In Augenblicken wie diesen denke ich, dass er nicht bloß wegen seiner Verbundenheit mit seinen Untertanen der König der Katzen ist, sondern auch wegen der Art und Weise, wie er mit Leuten spielt. Und ich hatte mich natürlich zum perfekten Spielzeug gemacht, da ich mich nicht auf den Schutz meines Lehnsherrn berufen konnte, solange ich ganz Faerie verleugnete.
    »Wahrscheinlich nicht«, räumte ich ein, so ruhig es mir möglich war. Ich konnte es jetzt nicht gebrauchen, verletzt zu werden, nur weil ich nervös war. »Ich mag es bloß nicht, wenn man sich an mich anschleicht.« Aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit wusste ich, dass er meine Furcht riechen konnte; dieselben Erfahrungen besagten jedoch auch, dass der Zorn, der meine Angst begleitete, ihren Geruch stark überdecken würde. Es ist gut zu wissen, wie man die eigenen Schwächen ausgleichen kann.
    »Ich muss sagen, ich finde diese Aufmachung allerliebst. Was bist du denn gerade, ein Hausmädchen? Putzfrau in einem dieser Glastürme?« Tybalt legte den Kopf schief und musterte mich. »Die Hose schmeichelt dir nicht besonders, aber die Bluse ist richtig durchsichtig.«
    »Ha, ha«, gab ich zurück, zog den Mantel zu und verschränkte die Arme vor der Brust. So sehr es mir auch widerstrebte, ich errötete. Mistkerl.
    »Ehrlich, du solltest nur mal was mit deinem Haar anstellen, und schon könntest du die gesellschaftliche Leiter wahrscheinlich einige Stufen hinaufsteigen. Soweit ich weiß, gibt es heutzutage etwas namens ›Scheren‹; sehr fortschrittlich, sie ermöglichen es nämlic h – keine Sorge, völlig schmerzfre i – , die Strähnen zu kürzen und für eine einheitliche Fasson zu sorgen. So etwas ist doch wesentlich schmeichelhafter.«
    Ich errötete wieder. »Hab ich die Ankündigung verpasst, dass heute der ›Mach-dich-über-Toby-lustig-Tag‹ ist?«
    »Sei nicht albern. Das ist doch jeder Tag. Aber wenn du das Thema wechseln möchtest, können wir durchaus über etwas anderes reden. Zum Beispiel: Was führt dich um eine so unerfreuliche Zeit nach draußen? Hast du das Bedürfnis nach etwas Gesellschaft verspürt? Bist du hergekommen, um dir den Sonnenaufgang in der Abgeschiedenheit meiner Gasse anzusehen, in der Hoffnung, ich würde aufkreuzen?« Er legte eine unscheinbare Betonung auf das Possessivpronomen und beobachtete mich mit einer gebietsbeanspruchenden Haltung, die persönlicher war, als mir behagte. Er
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