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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Autoren: Batya Gur
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kein Mensch auf dem Dach war und kein Laut Saras Gesang trübte, legte er seine Hände trichterförmig an den Mund und rief mit großartiger Stimme: »Cut!«
    Schraiber zog sich zurück und sah ihn mit demonstrativ erschöpftem Blick an, während Hagar, die beim Geländer stand, sich näherte.
    »Warum? Warum musstest du hier abbrechen?«, verlangte sie in erbittertem Ton zu wissen. »Das war echt perfekt, so … dermaßen wunderschön!«
    »Schön, schon«, sagte Benni Mejuchas und strich sich mit den Händen über die Augen, »aber nicht nah genug am Rand. Nicht beängstigend genug.«
    »Siebzehn Takes«, murmelte Schraiber, »siebzehn Takes seit elf und jetzt ist es schon eins in der Nacht, nach eins, und wir sind ihm nicht nah genug am Geländer.«
    Hagar bedachte ihn mit einem zornigen Blick. »Was macht dir das denn aus«, knurrte sie ihn an, »kommst um eine Minute nach zwölf – und wir haben’s schon abgekriegt, du bekommst doch zweihundert Prozent Zuschlag, was schreist du da?«
    »Sag mal, darf hier eigentlich keiner außer dir einen Ton sagen?«, fuhr Schraiber sie an. »Was denn – bloß du hast Rechte? Von Dienstalter wegen, oder wie? Rede ich vielleicht von Geld? Ich darf ja wohl noch sagen, dass das übertrieben ist, seine Forderungen, ich habe den Prime take schließlich gesehen, oder?«
    Benni Mechujas, in sich selbst versunken, wie gewöhnlich taub für die Stimmen um ihn herum, studierte den Monitor und sagte: »Es kommt so raus, dass sie nicht nah genug am Rand ist. Nicht beängstigend genug. Ich will sie am Rand haben, es soll Angst einflößen, man soll denken, gleich fällt sie, so dass einem ein paar Sekunden der Atem stockt, bis man sieht, dass alles in Ordnung ist. Sara«, rief er dem Mädchen zu, das zusammengekauert am Boden hockte und ihren mageren Körper mit den dünnen Armen umschlang, die aus den Ärmeln des weiten Gewands ragten, »ich möchte, dass du ganz nahe an den Rand gehst …«
    »Aber ich kann da runterfallen.« Sie erhob sich und blickte sich um, bis ihre Augen auf Hagars trafen, die sich ihr näherte. »Ich kann …«, murmelte sie, »das …«
    »Keine Angst, du fällst nicht runter, vorhin bei der Wiederholung, erinnerst du dich nicht, wir haben doch gesehen, dass du nicht … Hagar«, wandte sich Mejuchas an die Produktionsleiterin, »bring sie an den Rand und stell dich mit ihr dort hin …«
    Hagar zog an dem Gürtel der engen Jeans, die sie trug, knöpfte die dünne Windjacke zu, schlang ihre Arme um die Schultern des zitternden Mädchens und stieg mit ihr wieder auf die improvisierte innere Balustrade, die man eigens am Dachrand aufgebaut hatte.
    Benni Mejuchas’ Blick streifte die Balustrade entlang, über die Antennen, die aus dem Dach ragten, und zum Vollmond, der auf den Zwirnbau schien – das lange, rechteckige Gebäude hatte in ferner Vergangenheit als Zwirnfabrik gedient, und der komische Name war seitdem an ihm haften geblieben. Inzwischen hatte man alle möglichen provisorischen Treppenkörper angestückelt sowie Holzgalerien, deren Boden erbebte, wenn man den Fuß darauf setzte, es gab geheime Eingänge vom Parkplatz aus, die nur Eingeweihte kannten und benutzten, Zimmer, Hallen und sogar unterirdische Gänge, die eventuell ins Hauptgebäude des Fernsehsenders führten, und nur eine Handvoll Leute erinnerte sich noch an den ursprünglichen Namen, das Diamantenhaus. Wer auf dem Dach stand und sich an das rot gestrichene Eisengeländer lehnte, konnte überhaupt nicht ahnen, welche Schätze und ausgedehnten Räumlichkeiten der Zwirnbau barg; nicht nur Tirzas Büro und die Kulissenlager, über die sie herrschte, sondern auch eine Schreinerei und ein Kostümlager, das nach einem Rundfunkjournalisten benannte luxuriöse Nakdi-Studio, für Unterhaltungssendungen und Talkshows, Beleuchtungs- und Soundsysteme sowie kleine Lager unter den Treppen – die nur den Altgedienten bekannt waren –, in denen man die ganze Welt versteckt hatte, und die Gänge, in denen die großen Kulissen standen, darunter die Kulisse der Geburtsstadt Gemulas, Agnons Heldin, die Tirza angefertigt hatte: ein Dorf, Berge und Herden, die täuschend echt aussahen, Wolken und Sonne, sogar den Mond, rund und gelb, hatte sie dort aufgemalt; und dann der Raum, den Max bei seinen Grabungen entdeckt hatte – ein Raum im Untergeschoss, der durch eine Wand versiegelt war. Eine komplette Welt gab es dort. Vor zehn Jahren, während eines Stromausfalls, hatte Max Levin gegen die Wand geklopft
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