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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Autoren: Batya Gur
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Nörgeln zu ersparen, was ihm schließlich nicht gelang (»wozu fährst du den ganzen Weg«), und um das Seder*-Szenario vom letzten Mal nicht wieder über sich ergehen lassen zu müssen.
    Dani Balilati, der zwar ein festliches weißes Hemd getragen hatte, aber trotzdem wie üblich verschwitzt war, als ob er die Strecke vom Norden der Stadt bis in den Westen joggend zurückgelegt hätte, war plötzlich hereingeschneit. Sein dicker Bauch bebte, er rasselte mit den Autoschlüsseln und verkündete mit kindlich betroffenem Grinsen und dennoch siegesgewiß: »Wir haben beschlossen, daß eine Einladung per Telephon nicht die feine Art ist. Wir können den Seder ohne dich nicht beginnen.« Er hatte seine kleinen Augen verengt, als sein Blick auf den braunen Sessel in der Ecke fiel und auf den gelblichen Lichtkreis, den die Leselampe auf den grünlichen Bucheinband warf, und hatte verdutzt und argwöhnisch ausgerufen: »Dann verbringst du also den Sederabend tatsächlich allein und schmökerst auch noch in russischer Literatur.« Die obere Hälfte seines Körpers hatte sich in Richtung Schlafzimmer gebogen, und sein Blick wan derte von dem Buchdeckel dorthin, als erwarte er, daß hinter der verschlossenen Tür eine attraktive Blondine aufkreuzte, die ihren nackten Körper hinter einem rosa Handtuch verbarg.
     
     
    * Mit einem Sternchen gekennzeichnete Wörter sind im Glossar am Ende des Buches erläutert.
     
     
    »Wenn wenigstens noch jemand hier wäre ...«, er kratzte sich den Schädel, »könnte ich es noch verstehen. Obwohl auch sie sich sicher bei einem Seder in einer großen Familie mit dem herrlichen Fraß, den wir vorbereitet haben, besser fühlen würde.«
    In den letzten Jahren war er zum Hobbykoch avanciert. Nun beschrieb er detailliert, wie er zu einem halben Lamm gekommen war, was genau er mit den Koteletts und mit der Keule angestellt hatte, wie seine Frau sich auf die Fleischbrühe konzentriert hatte, die wohl ihre Spezialität war, und wie sie die leckeren Salate und die griechischen Auberginen abgeschmeckt hatte. Er hatte dagestanden, Michael flehend angesehen und gejammert wie ein Kind.
    »Wenn Juwal nicht in Südamerika wäre, würdest du sicherlich mitkommen. Mati bringt mich um, wenn ich ohne dich aufkreuze.«
    Und aus purer Verlegenheit hatte Michael sich schließlich breitschlagen lassen, auf den geruhsamen Abend zu verzichten, auf den er sich den ganzen letzten Monat sehnsüchtig gefreut hatte.
    »Was unterscheidet diese Nacht von anderen Nächten * «, hatte er Balilati, noch neben dem Sessel stehend, gefragt, und Balilati hatte mit dem Tschechow herumgefuchtelt (seine Finger steckten zwischen den Blättern, an der Stelle, an der das Buch aufgeschlagen gewesen war), und bestimmt:
    »Keine Philosophie bitte. An Feiertagen soll man nicht allein bleiben. Das bringt einen zur Verzweiflung. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Feiertage für Alleinstehende eine Katastrophe sind.«
    Michael hatte das aufgedunsene Gesicht des Nachrichtenoffiziers angesehen. Am liebsten hätte er etwas über die Bedrohung bemerkt, die seinesgleichen für bürgerliche Existenzen darstellte, und daß diese Einladung, die er nur mangels einer passenden Entschuldigung nicht ausschlug, nichts, aber auch gar nichts mit seinem eigenen Wohlbefinden zu tun hatte. Vielleicht war sie ja nichts anderes als die brutale Rache der Eheleute an Singles, die ihr Alleinsein genossen. Um ein Haar hätte er etwas von Erpressung verlauten lassen, doch statt dessen hörte er sich lächelnd sagen: »Merk dir, daß das hier eine Vergewaltigung ist.«
    »Und wenn schon«, hatte Balilati abgewunken, »in meinen Augen ist es eine gute Tat.«
    Dann hatte er das Buch behutsam auf die Sessellehne zurückgelegt und klagend hinzugefügt: »Was soll das? War um machst du so eine große Sache daraus. Es ist nur ein ein ziger Abend im Leben. Tu es für Mati.«
    Michael hatte die Sätze heruntergeschluckt: Warum soll gerade ich etwas für deine Frau tun? Du bist es, der sie glücklich machen sollte. Und wenn du endlich aufhören würdest, hinter jedem Busenpaar herzulaufen, wäre sie wohl schon zufrieden.
    Er war ins Schlafzimmer gegangen, hatte sich für seine Schwäche verachtet und nach einem langärmeligen weißen Hemd gesucht. Als seine Hand über seine rauhe Wange glitt und er sich fragte, ob eine Rasur angebracht wäre, hatte er sein Gesicht im Spiegel zurechtgewiesen, es solle sich nicht so anstellen und das Leben auf die leichte Schulter nehmen.
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