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Obsession

Titel: Obsession
Autoren: Simon Beckett
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beiseite
     und faltete die Zeitungsausschnitte auseinander.
    Die Überschrift des obersten lautete: AUFRUF DER MUTTER DES KLEINEN STEVEN IM FERNSEHEN.   Er drehte den Ausschnitt um, aber auf der Rückseite befand |17| sich nur ein Teil einer Werbeanzeige. Schnell blätterte er durch den Rest. Sie waren nicht chronologisch geordnet, jeder Artikel
     befasste sich jedoch mit der Geschichte eines Babys, das aus einer Entbindungsklinik entführt worden war. Alle Ausschnitte
     stammten offenbar aus der
Daily Mail
, was ihn ein wenig überraschte, denn die einzigen Zeitungen, die Sarah seines Wissens gelesen hatte, waren der
Guardian
und der
Evening Standard
gewesen.
    Kaum hatte er sich vorgenommen, sie zu fragen, warum sie die Artikel aufgehoben hatte, fiel ihm schmerzlich ein, dass es unmöglich
     war. Er legte die Zeitungsausschnitte weg und spürte, wie seine Neugier plötzlich versiegte. Welches Geheimnis sich dahinter
     auch verbergen mochte, er würde es nie herausfinden können. Er hätte sie auf der Kommode liegengelassen und irgendwann weggeworfen,
     wenn nicht dieses Gefühl an ihm genagt hätte, dass ihm etwas entgangen war. Er nahm sie erneut in die Hand. Insgesamt waren
     es fünf Artikel, an denen man ablesen konnte, wie die Geschichte aus Mangel an einer Entwicklung allmählich den aktuelleren
     Nachrichten weichen musste. Am Anfang war sie eine große Schlagzeile auf der ersten Seite wert, BABY AUS DER ENTBINDUNGSKLINIK
     ENTFÜHRT, am Ende nur noch ein paar versteckte Zeilen im hinteren Teil. Obwohl nur der Artikel von der ersten Seite mit einem
     Datum versehen war, schienen sie allesamt in einem Zeitraum von einer Woche erschienen zu sein, und zwar im März vor sechs
     Jahren. Diese Information rief etwas in Ben wach. Er schaute auf Jacobs Geburtsurkunde, dann auf das Datum des ersten Ausschnittes.
     Veröffentlicht am dritten März.
    Jacobs Geburtstag.
    Ben wurde unbehaglich zumute. Er las die Artikel erneut, |18| dieses Mal aufmerksamer. Sie drehten sich um die Suche nach einem neugeborenen Baby, das aus seinem Bettchen in einem Krankenhaus
     im Zentrum Londons verschwunden war. Die Namen der Eltern lauteten John und Jeanette Cole. Ben hatte sie noch nie gehört.
     Cole war Corporal der Royal Engineers, hatte in Nordirland gedient und wurde als «Veteran» des Golfkrieges bezeichnet. Es
     war ihr erstes Kind, ein Junge, und der Redakteur zeigte sich empört darüber, dass jemand den Sohn eines Soldaten entführt
     hatte, der «für sein Land kämpfte». Es gab die üblichen Aufrufe der Polizei an mögliche Zeugen sowie an den unbekannten Täter.
     Auf einem Ausschnitt war ein schlechtes Foto der Eltern zu sehen. Der Vater war ein jugendlicher Mann mit militärisch kurzgeschorenen
     Haaren, er kam gerade aus dem Krankenhaus und hatte seinen Kopf halb abgewandt. Die Frau war laut Text dreiundzwanzig Jahre
     alt, wirkte neben ihm jedoch älter. Aber das war wohl kein Wunder, dachte Ben, während er ihr Gesicht betrachtete, auf dem
     die Aufnahme ihren Schmerz eingefroren hatte.
    Sein Unbehagen nahm zu. Mit einem Mal widerte ihn die Berührung der ausgeschnittenen Papierschnipsel an. Er ließ sie auf die
     Kommode fallen, wandte sich ab und wischte sich die Hände an seiner Jeans ab. Der Anblick von Sarahs auf dem Bett gestapelten
     Sachen traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht und erschütterte den Rest seiner Selbstbeherrschung. Er lief aus dem Schlafzimmer,
     stürzte beinahe die Treppe hinunter und blieb unten im Flur nach Atem ringend stehen. Er spürte, wie er zu hyperventilieren
     begann, und versuchte die anwachsende Panik niederzukämpfen.
Hör auf
damit.
    Er ging in die Küche und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Der Schock legte sich. Er drehte den Hahn zu und |19| stützte seine Arme auf die Spüle. Wasser rann ihm von Nase und Kinn, während er aus dem Fenster schaute. Hinter der Scheibe
     erschien die Straße wie immer. In der hellen Nachmittagssonne hatten die Häuser harte Kanten. Auf beiden Straßenseiten standen
     Autos. Ein Mann führte seinen Hund aus, blieb stehen, um ihn gegen einen Laternenpfahl pinkeln zu lassen, ging dann weiter
     und verschwand aus dem Blickfeld, das der Fensterrahmen bot.
    Normal.
    Ben ließ seinen Kopf hängen und fühlte sich erbärmlich. Was in Gottes Namen war nur mit ihm los? Der Verdacht, den er selbst
     jetzt noch nicht ganz glauben konnte, beschämte ihn. Jacob war Sarahs Sohn, um Himmels willen. Er klammerte sich an diesen
     Gedanken und
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