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Obsession

Titel: Obsession
Autoren: Simon Beckett
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himmelschreiende Ungerechtigkeit, als der Arzt von Computertomographie und der Möglichkeit einer
     Notoperation sprach.
    Anfänglich wollte man ihn nicht zu ihr lassen. Vom Verstand her war ihm klar gewesen, dass es ernst war, vom Gefühl her konnte
     er es kaum begreifen. Noch am Abend zuvor hatten sie gemeinsam gekocht, Jacob ins Bett gebracht und eine Flasche Wein getrunken.
     Es erschien ihm einfach unmöglich, dass sie plötzlich ernsthaft krank war. Selbst als der Arzt zu ihm kam und sagte, dass
     Sarah mittlerweile an lebenserhaltenden Systemen angeschlossen sei und dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hätten,
     konnte Ben nicht begreifen, was geschah. Erst als er sie reglos und ohne Bewusstsein, mit rasiertem Kopf und geschwollenem,
     blassem Gesicht in dem Krankenhausbett liegen sah, wusste er, dass sie sterben würde.
    Die Maschinen hatten sie drei Tage am Leben erhalten. Als sie am vierten Tag abgeschaltet worden waren, hatte Ben neben ihr
     gesessen und ihre Hand gehalten und mit ihr gesprochen, bis sie mit grausamer Beiläufigkeit aufgehört hatte zu atmen.
    Tessa und Keith hatten ihn nach Hause gebracht. Ben kannte Keith seit dem Studium, er hatte in betrunkenem |15| Zustand versucht, ihn vor einer Ehe mit Tessa zu warnen, und war widerwillig sein Trauzeuge gewesen. Doch in diesem Moment
     hatte er weder ihn noch Tessa richtig wahrgenommen. Sie hatten mit ihm gewartet, bis Jacob aus der Schule zurückgekehrt war,
     und waren dann gegangen, damit Ben dem Jungen erklären konnte, dass seine Mutter tot war. Jacob hatte ihn dabei nicht angesehen.
     Nur die Art, wie er vor und zurück geschaukelt war, hatte darauf hingedeutet, dass er die Nachricht aufgenommen haben könnte.
    In diesem Moment hätte Ben seinen Stiefsohn um seinen Autismus beneidet.
    Er ließ seinen Tränen freien Lauf, legte die Kleider behutsam aufs Bett und nahm dann einen weiteren Armvoll aus dem überquellenden
     Schrank. Sarah hatte immer alles aufgehoben und Sachen erst dann wegwerfen können, wenn es nicht mehr anders ging. Er hatte
     sie deswegen oft aufgezogen und eine Hamsterin genannt. Im Gegenzug hatte sie ihm vorgeworfen, eine typische Konsumentenhaltung
     zu haben.
    Bei der Erinnerung daran musste er lächeln. «Keine Sorge, in der Altkleidersammlung werden sie auch nicht weggeworfen», sagte
     er laut, doch der spaßige Ton klang unecht.
    Er leerte den Kleiderschrank und machte dann mit ihrer Frisierkommode weiter. Er versuchte, die Sachen, die er auf dem Bett
     aufstapelte, nicht genau zu betrachten. Wenn er jetzt schwach wurde, das war ihm bewusst, würde er sie niemals loswerden.
     Es waren nur noch Stoffteile und nicht mehr ihr Lieblingskleid oder die Seidenunterwäsche, die er ihr zu ihrem letzten Geburtstag
     geschenkt hatte. Er leerte eine weitere Schublade, schob sie zu und öffnete die nächste. Als er hineingriff, um die zusammengelegten
     Sachen herauszuheben, berührten seine Finger etwas Kaltes und Hartes. Er |16| legte die Pullover aufs Bett, ging dann zurück und holte es hervor.
    Es war eine alte, verbeulte Metallkassette. Unter der abgeblätterten und ausgeblichenen schwarzen Farbe sah man das stumpfe
     Messing. Ben konnte sich nicht daran erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben, aber Sarah war beinahe zwanghaft von Antikmessen
     oder Flohmärkten angezogen worden. Irgendwann hatte er den Überblick über ihre Käufe verloren. Dennoch kam es ihm merkwürdig
     vor, dass die Kassette versteckt gewesen war.
    Als er sie kippte, hörte er im Inneren ein leises Rascheln, doch das Schloss war abgesperrt. Er suchte in den Schubladen nach
     einem Schlüssel, fand aber keinen. Nachdem er eine Weile überlegt hatte, ging er zu dem antiken Teewagen, in dem sie ihren
     Schmuck aufbewahrt hatte. Sie war mit ihrem Ehe- und Verlobungsring beerdigt worden, es waren aber noch einige Stücke übrig.
     Obwohl sie nicht besonders wertvoll waren, würde er es kaum übers Herz bringen, sie wegzugeben. Ein Gedanke, den er zu verdrängen
     versuchte, während er den Schmuck nach einem Schlüssel durchstöberte.
    Unter ein paar zarten Goldketten wurde er fündig.
    Der Schüssel passte ins Schloss der Kassette. Nach einem Klicken sprang der Deckel auf, dann klappte Ben ihn um.
    Drinnen befand sich ein Stoß gefalteter und vergilbter Zeitungsausschnitte. Ganz unten lag ein größeres Schriftstück. Als
     er es herausnahm, sah er, dass es Jacobs Geburtsurkunde war. Ansonsten war die Kassette leer. Er legte die Urkunde
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