Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
bewegen. Zum Glück für alle Beteiligten wurde der Szene durch das Eintreffen der Polizei schnell Einhalt geboten. Wie es schien, hatten die Ordnungshüter wenigstens einen Teil der Auseinandersetzung mitbekommen.
    »Sieht aus, als könnten Sie ein Konfliktlösungsseminar gebrauchen«, fuhr der Polizist fort.
    »Ich werde Ihren Rat beherzigen«, antwortete Jack sarkastisch. Er wusste, dass er provozierend wirkte, aber er konnte nichts dagegen tun. Der Polizist hatte den Taxifahrer ziehen lassen, ohne seinen Führerschein zu verlangen. Es sah ganz so aus, als hielte er Jack für den Schuldigen, denn ausgerechnet ihn hielt man fest.
    »Sie fahren hier Fahrrad, verdammt noch mal«, murrte der Polizist. »Was haben Sie vor? Wollen Sie sich umbringen lassen? Wenn Sie verrückt genug sind, sich hier aufs Rad zu setzen, dann sollten Sie auf Überraschungen gefasst sein. Und ganz besonders bei Taxis.«
    »Ich bin davon ausgegangen, dass sich in New York Taxis und Radfahrer die Straße teilen.«
    Der Polizist schüttelte den Kopf, rollte die Augen und gab Jack seinen Führerschein zurück. »Es ist Ihre Beerdigung«, sagte er noch, um klarzumachen, dass er dafür keine Verantwortung übernehmen würde.
    Gereizt nahm Jack sein Fahrrad, stieg auf und radelte schnell davon, noch ehe der Polizist wieder in seinen Wagen gestiegen war. Der rasende Verkehr, der eiskalte Wind und die Anstrengung kühlten sein erhitztes Blut rasch ab. Mit der optimalen Geschwindigkeit von circa dreißig Stundenkilometern schaffte er alle Ampeln bis zur 42. Straße. Während er nun nach Luft schnappend an der Ampel auf Grün wartete, musste er sich eingestehen, dass der Polizist recht hatte. Gierige Taxifahrer würden immer für eine Tour anhalten, ohne darauf zu achten, was um sie herum geschah. Jack hatte als defensiver Fahrer
versagt und war in die alten, pathologisch selbstzerstörerischen Verhaltensmuster zurückgefallen, mit denen er sich schon nach dem Tod seiner Frau und seiner Töchter in Gefahr gebracht hatte. Jack wusste, dass er sich solchen Egoismus jetzt nicht erlauben durfte. Laurie und Jack Junior brauchten ihn. Wenn es der Familie gelingen sollte, das Neuroblastom zu besiegen, dann mussten sie es im Team schaffen.
    Nach seiner Ankunft beim gerichtsmedizinischen Institut Ecke First Avenue und 30. Straße überquerte Jack die breite Fahrbahn und steuerte zur Einfahrt des Gebäudes. Obwohl die Gerichtsmedizin von der First Avenue aus betrachtet noch immer so aussah wie in den Sechzigern, als sie gebaut worden war, hatte es doch einige Veränderungen gegeben, insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September. Die alte Laderampe war durch einen größeren Parkplatz und eine Reihe von Einfahrten mit Rolltoren ersetzt worden, um gleichzeitig mehrere Fahrzeuge mit Leichen abfertigen zu können. Verschwunden war auch die Flotte bräunlich angelaufener, veralteter Leichenwagen mit der Aufschrift HEALTH AND HOSPITAL CORP auf den Seiten, die immer kreuz und quer auf der 30. Straße geparkt hatten. Sie waren durch neue, blitzweiße Lieferwagen ersetzt worden. Und statt sein Rad jetzt ins Leichenschauhaus tragen zu müssen, fuhr Jack es einfach in eine der neuen Garagen, wo der inzwischen viel besser geführte Sicherheitsdienst es gut im Auge hatte.
    Im Inneren der Gerichtsmedizin gab es noch mehr Veränderungen. Weil die Ereignisse des 11. Septembers die Bedeutung der Gerichtsmedizin hatten offensichtlich werden lassen, hatte die Politik sie mit mehr Personal, besserer Ausrüstung und mehr Platz ausstaffiert. Nur ein paar Häuserblocks weiter an der First Avenue
war ein nagelneues Gebäude hochgezogen worden, um Platz zu schaffen für die erweiterte Abteilung der forensischen Biologie und insbesondere das DNA-Labor. Die Zeiten, in denen die New Yorker Gerichtsmedizin aufgrund von Etatkürzungen ihren Ruf als führendes gerichtsmedizinisches Institut des Landes eingebüßt hatte, waren lange vorbei.
    Jack hatte als Gerichtsmediziner oder forensischer Pathologe inzwischen über die ganze Stadt verteilt mehr als dreißig Kollegen. Auch die Anzahl der nicht promovierten Leichenbeschauer, die jetzt gerichtsmedizinische Fahnder genannt wurden, war größer geworden, und außerdem waren zusätzlich zu den forensischen Odontologen acht forensische Anthropologen neu eingestellt worden, auf die Jack und die anderen Leichenbeschauer im Bedarfsfall zurückgreifen konnten.
    Wandel und Wachstum hatten Jack auch persönlich Vorteile gebracht. Zusammen mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher