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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion
Autoren: Robin Cook
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glaubte er, der Mann habe es ernst gemeint. Dann zeigte Rahul ein breites Grinsen mit gelben, schlecht gepflegten Zähnen. »Ich scherze nur. Kinder hatten den Topf gefunden, und ich habe ein gutes Geschäft mit ihnen gemacht. Ich bin zufrieden.«
    Shawn lächelte mit unverhohlener Erleichterung. Er fand den arabischen Humor genauso unvorhersehbar wie die arabische Gastfreundschaft.
    »Bei Ihrem Geständnis musste ich an ein ganz außergewöhnliches Stück denken, das ich gestern von einem befreundeten Fellachen bekommen habe, einem Bauern aus Oberägypten. Es ist vielleicht für Sie als Bibelforscher besonders interessant. Bei diesem speziellen Objekt kennen Sie sich besser aus als ich, deshalb vertraue ich darauf, dass Sie mich nicht übervorteilen werden, falls Sie sich entscheiden sollten, es zu kaufen. Möchten Sie es sehen?«
    Shawn zuckte mit den Schultern. »Warum nicht«, sagte er. Er wusste nicht, was ihn erwartete, und machte sich keine großen Hoffnungen.
    Nachdem er in einem der Kartons gewühlt hatte, die an
der Wand gestapelt waren, zog Rahul etwas hervor, das aussah wie ein schmutziger Kopfkissenbezug. Erst nachdem er wieder Platz genommen hatte, nahm er dessen Inhalt heraus und legte ihn Shawn in die Hände.
    Shawn blieb für ein paar Sekunden unbeweglich sitzen, während sich Rahul wieder in seine großen Kissen zurücklehnte. Er hatte einen erwartungsvollen, selbstzufriedenen Gesichtsausdruck. Er wusste, dass der Archäologe schnell würde erraten können, was er da in den Händen hielt. Die Frage war nur, ob er es kaufen würde. Dieser illegale Fund brauchte den richtigen Abnehmer – jemanden mit ziemlich gut gefüllter Brieftasche.
    Shawn dämmerte schnell, um was es sich handelte. Wie die meisten ernst zu nehmenden Bibelforscher, besonders jene mit den Interessenschwerpunkten Neues Testament oder frühchristliche Kirchengeschichte, hatte er die Originale nicht nur gesehen, sondern sogar mit ihnen gearbeitet. Die Frage war: War das, was er hier in seinen Händen hielt, nun echt, oder war es ebenso gefälscht wie die Skarabäen und all die anderen nachgemachten Antiquitäten, die Rahul verkaufte? Shawn wusste es nicht, aber unter dem Eindruck der unerwarteten Echtheit der prädynastischen Keramik war er bereit, etwas zu riskieren und das Stück zu kaufen, das in seinem Schoß lag. Falls es mit etwas Glück tatsächlich echt war, könnte es sich als die bedeutendste Entdeckung seines Lebens erweisen, und selbst wenn er das Objekt später möglicherweise an die ägyptischen Behörden zurückgeben würde, war es genau die Art von Fund, dessen Geschichte allein ihn von seinen Kollegen abheben würde. Shawn wollte nicht, dass dieses Objekt an eines der anderen großen Museen ging, und das war durchaus vorstellbar, wenn man Rahuls Internetverbindungen bedachte.
    »Natürlich ist es nicht echt«, begann Shawn, um locker
und mit dem richtigen Fuß in die Verkaufsverhandlungen einzusteigen. Denn obwohl der Laden einen eher bescheidenen Eindruck machte, wusste er doch, dass er es mit einem absolut professionellen und sehr geschäftstüchtigen Händler zu tun hatte.

Kapitel 3
6:05 Uhr, Montag, 1. Dezember 2008 New York City (13:05 Uhr, Kairo)
    S ie sind Arzt?«, fragte der Streifenpolizist mit übertriebener Überraschung. Der Polizeiwagen parkte hinter ihnen auf dem Bordstein an der Westseite der Second Avenue, während der morgendliche Berufsverkehr an ihnen vorbei in die Innenstadt rollte. Der Kollege des Streifenpolizisten saß noch immer auf dem Beifahrersitz und trank seinen Kaffee. Jacks relativ neues Trekkingrad lag auf der Seite am Straßenrand direkt vor dem Polizeiwagen. Als Laurie ihren Mutterschaftsurlaub angetreten hatte, hatte Jack seine alte Gewohnheit wieder aufgenommen und fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit ins gerichtsmedizinische Institut OCME, dem Office of the Chief Medical Examiner.
    Jack nickte nur. Obwohl er sich wieder etwas beruhigt hatte, war er noch immer ziemlich außer sich über den Taxifahrer, der ihn geschnitten hatte, als er urplötzlich vier Verkehrsspuren gekreuzt und dann direkt vor ihm in die Eisen gestiegen war, um einen Fahrgast aufzunehmen. Nachdem Jack es fertiggebracht hatte, nur leicht mit der hinteren Stoßstange des Taxis zusammenzustoßen, stürmte er, noch bevor der Fahrgast hinten Platz genommen hatte, auf die Fahrerseite und verpasste der Fahrertür mit seinen Absätzen schnell ein paar kleine, aber unübersehbare Dellen, um den Fahrer zum Aussteigen
zu
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